28. Juli 2024

Erholung der Herzrate

Wenn du etwas schweres hebst, in den 15. Stock gehst und zwar über die Treppe, eine Stunde Joggen gehst, wird deine Herzrate ansteigen, unweigerlich. Und es wird auch ein wenig dauern, bis diese wieder sinkt. Die Frage ist, wie lange dauert es denn nun, bis die Herzrate wieder runtergeht. Dies ist abhängig vom persönlichen Fitnesszustand. Also, was sagt eine gute Erholung der Herzrate über den Zustand des Herzens bzw. des Nervensystems aus? Das möge der Inhalt dieses Artikels sein. Zuerst wären da ein paar Dinge zu klären. Nämlich, die Sache mit dem Ruhepuls.

Ruhepuls

Gesunde Erwachsene haben im Schnitt einen Ruhepuls von 50 bis 65 Schlägen pro Minute (Habib, 2024). Kinder mögen mehr haben, ca. 100 Schläge pro Minute. Dann kommen noch Schwankungen über den Tagesablauf hinzu. Weniger als 40 Schläge pro Minute sind laut der deutschen Herzstiftung zu wenig. Frauen haben im Schnitt drei Schläge pro Minute mehr als Männer. Starkes Übergewicht und die Jahreszeit wirken sich auch aus. So führt Übergewicht zu einem Anstieg, genauso wie es zu einem Anstieg im Januar kommt. Im August fällt der Durchschnitt wieder.

Der Vagusnerv

Jetzt kann ich ja Finger an mein Handgelenk anlegen und zählen. Verlässlicher wäre dagegen ein elektronisches Gerät mit Brustgurt. Zurück zur Eingangsfrage: Was hat nun die Erholung der Herzrate mit dem Nervensystem zu tun? Der Vagusnerv, Teil des vegetativen Nervensystems, regelt neben unzähligen inneren Prozessen auch den Herzschlag. Der Sympathikus übernimmt dabei die Rolle, die Herzrate nach oben zu treiben. Es steht etwas an, ein Sprint, ein schweres Gewicht zu tragen, der Gang in den 17. Stock. Der Parasympathikus hat die Aufgabe, die Herzrate zu senken. Generell, je geringer die Herzrate im Ruhezustand, desto effektiver ist die Pumpleistung des Herzens. So schaffen es gute Athleten zu etwa 40 bis 50 Schlägen pro Minute (Habib, 2024).

Wie war das jetzt mit der Erholung der Herzrate?

Das Spannende kommt jetzt. Gehe mal davon aus, du sprintest mehrere Male hintereinander. Das treibt die Herzrate an. Nach dem letzten Sprint machst du eine Pause von einer Minute. Vor dieser Pause und danach nimmst du die Herzrate. Die Differenz von der ersten Messung zur zweiten Messung wird Herzratenerholung genannt. Zu dieser Herzratenerholung führten Cole und Kollegen (1999) eine über 6 Jahre geführte Studie durch. Ein Training führt generell zu einem Anstieg der Herzrate. Gleichzeitig verringert sich der Vagustonus. Die Wiederherstellung der Herzrate nach einer anstrengenden Aktivität hat mit der vagalen Aktivität zu tun. Wenn der Vagusnerv nicht mehr das tut, wofür er gemacht ist, kann dies mit einer erhöhten Sterblichkeit einhergehen. Dies macht die Herzrate und die Erholung dieser Herzrate zu einem sehr guten vorhersagenden Marker für den generellen Fitnesszustand und die damit verbundene Sterblichkeitsrate.

17 Schläge ist also gut

Über 6 Jahre wurden 2428 gesunde Erwachsene beobachtet. Dabei wurden Tests durchgeführt. Vor und nach den Übungen wurde die Herzrate gemessen. Der Durchschnitt lag dabei bei 17 Schläge Reduktion pro Minute. Männliche Athleten schafften es auf 29 Schläge Reduktion. Eine Reduktion von weniger als 12 Schlägen wurde als besorgniserregend eingestuft. Besorgniserregend daher, da ein langsamerer Abfall der Herzrate in der ersten Minute nach einer Belastung, der auf eine verminderte vagale Aktivität zurückzuführen ist. Dies stellt einen Prädiktor für die Gesamtmortalität dar.

Was nun? Ist dies trainierbar…

Die Antwort darauf ist so einfach wie die Frage auf, wie werde ich ein guter Klavierspieler. Hmm, durch das konstante Klavierspielen. So ist es auch mit der Herzrate. In Kürze ist es ungefähr so. Du nimmst dir eine Aktivität vor, z.B. ein kraftbetontes Intervalltraining, oder 30 Minuten Joggen mit kurzen Sprints, oder Bergwandern für eine Stunde. Nach dieser physischen Aktivität, misst du gleich die Herzrate und eine Minute danach wieder. Die Aktivitäten lieben Konstanz, d.h. einmal ist keinmal. Ein regelmäßiges Training und eine regelmäßige Entspannung trainiert die Herzrate und die Herzratenerholung.

Ich gebe dir zum Abschluss mein Beispiel.

  • Beispiel A: Intervall Kraft Zirkel, bestehend aus Klimmzüge (max. Wiederholung), Liegestütze (max. Wiederholung) und Horse Stance (in Sekunden, so lange wie möglich). Das ganze 3x. Dann bin ich nach spätestens 15 Min. fertig. Danach atme ich 10 Minuten kohärent. 
  • Beispiel B: Ausfallschritte bergauf und Krabbeln bergab. Das ganze 5 Durchgänge. Dann wäre ich ungefähr bei 150 Ausfallschritten (beide Beine). Das Krabbeln zähle ich nicht. Danach folgt eine Atemübung, z.B. die Buteyko Atmung. Fokus auf langsames und langes Ausatmen sowie die Atempause am Ende. Dabei schaue ich den Sonnenaufgang oder den Sonnenuntergang an.

Das wäre zwei meiner Beispiele. Es gibt noch weitere. Die Frage ist allerdings, hast du ein eigenes Beispiel?

Literatur:

  • Cole, C. R., Blackstone, E. H., Pashkow, F. J., Snader, C. E., & Lauer, M. S. (1999). Heart-rate recovery immediately after exercise as a predictor of mortality. The New England journal of medicine, 341(18), 1351–1357. https://doi.org/10.1056/NEJM199910283411804
  • Habib, Navaz (2024). Uprgarde your vagus nerve. Berkeley: Ulysses Press

Bilder:

  • Das Bild ist 2022 im November in Seigendorf entstanden. Wo??? Seigendorf? Ein sehr kleiner Ort in der Nähe von Bamberg. Also wenn du mal mit mir Ausfallschritte machen möchtest, das wäre der Ort dazu.

28. Juli 2024

Selbstbild, Zwang und Selbstentfaltung

Wir handeln in Übereinstimmung mit unseren Selbstbild, d.h. dieses Bild, das wir von uns machen, durchzieht alle Lebensbereiche. Dieses Bild speist sich laut Moshe Feldenkrais (1990) aus drei Faktoren: Erbe, Erziehung und Selbsterziehung. Die Vererbung ist der Teil, auf den wir am wenigsten Einfluss haben. Unser Knochenbau, die Muskelzusammensetzung, die Haarfarbe, usw. sind uns innewohnend, noch bevor wir zum ersten Mal über unsere Identität nachdenken. Das genetische Erbe macht dich und mich einzigartig in unserer Erscheinung. Die Erziehung allerdings bestimmt unser Selbstbild zu einem sehr großen Teil. Da wäre zum einen die Sprache, welche uns in einem Kulturkreis ermöglicht mit anderen Mitgliedern zu kommunizieren. Die Sprache ist auch Zeuge der kulturellen Gepflogenheiten und bestimmt im großen Maße unsere Selbsterziehung. Die Erziehung macht uns zu einem Mitglied der kulturellen Gemeinschaft und erleichtert die soziale Interaktion.

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24. Juli 2024

Beckenuhr

Beckengesundheit ist wichtig. Nicht nur zur Vorbeugung von Blasenproblemen und Fortpflanzungsstörungen, sondern auch zur besseren Verteilung der Kraft auf die jeweiligen Muskelgruppen. Vielleicht sollte ich statt Beckengesundheit Beckenorganisation sagen. Die Organisation des Beckens bedeutet in anderen Worten, die leichte Position des Beckens im Raum. Leicht ist die Position dann, wenn die notwendigen Muskeln ihre Aufgabe adäquat machen. Somit kommt es nicht zu Überbelastungen. Wie komme ich aber dorthin, also in die Position, wo die Muskeln ihre Aufgabe adäquat machen? Meine Kurzantwort darauf: Feldenkrais.

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16. Juli 2024

Gähn doch mal

Wenn ich zu Dir sage, jetzt gähne doch mal, was denkst du dann? Wenn du in der Öffentlichkeit bist und gähnen musst, hältst du deine Hand vor dem Mund? Mit offenen Mund zu gähnen, zählt laut laut soziokulturellen Regeln zu den Verhaltensweisen, die als unhöflich abgestempelt werden. So schreibt Provine (1986), es ist langsam an der Zeit den Glaubenssatz, Gähnen sei ein Zeichen von Langeweile, ad acta zu legen. Denn Gähnen halt viel mehr zu bieten, als wir zu denken vermögen. Gähnen steckt ja auch an. Sind sich die, die sich da dann angähnen, sympathischer? Hmm, höchstwahrscheinlich. Wir gähnen aus unterschiedlichen Gründen. Was auch immer der Grund ist. Heute soll es darum gehen, dem Gähnen eine besondere Stellung in unserem Leben einzuräumen. Vielleicht bringt dich dieser Artikel ja zum Gähnen. Falls ja, Glückwunsch, alles richtig gemacht. Falls nein, gähn doch mal.

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9. Juli 2024

Warum Seufzen – eine Annäherung

Ganz ehrlich, mich interessiert das Seufzen und es ist heute auch in aller Munde. Es wird viel darüber gesprochen. Sehr viel. Dies hier soll eine kurze Annäherung sein. Generell kann ich sagen, immer wenn ich in der Vergangenheit seufzte, hörte ich vom Außen, “jetzt tue doch nicht so”, oder “anstrengend, oder”. Mir ging dies ziemlich auf die Nerven. Die kommentarlustige Freude meiner Mitmenschen. Aber, was die nicht wissen, ist was ich weiß und was du jetzt auch gleich wissen wirst. Neugierig?

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6. Juli 2024

Bindungsstil und chronischer Schmerz

Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen Bindung und Schmerz, zwischen Bindungsverhalten und Schmerzwahrnehmung? Dies wurde in einer Übersichtsarbeit (Pfeifer et al., 2016) untersucht. In Kürze lässt sich folgendes sagen. Ein unsicherer Bindungsstil geht mit einer erhöhten Wahrnehmung von Bedrohung einher, was Angst erzeugt. Diese Angst erzeugt Stress. Stress verstärkt die Schmerzwahrnehmung. Dies führt zu noch mehr Angst und somit zu noch mehr Stress und somit zu noch mehr Schmerz. Das Bindungsmuster sowie das daraus resultierende Bindungsverhalten haben in der Tat Einfluss, insbesondere auf chronische Schmerzen.

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6. Juli 2024

Musik unterstützt den Parasympathikus

Hat Musik Auswirkungen auf das subjektive Empfinden? Dies wurde in einer Studie (Chuang et al., 2010) untersucht. Die Wissenschaftler wollten wissen, ob Musiktherapie die Empfindungen von Müdigkeit, Wohlbefinden und Entspannung bei Krebsüberlebenden beeinflusst und ob sie die Aktivitäten des sympathischen und parasympathischen Nervensystems beeinflusst, wie dies durch HRV-Parameter angezeigt wird.

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6. Juli 2024

Soziale Interaktionen für ein gesundes Herz

Brauchen Menschen andere Menschen um sich herum? Das ist eine gute Frage. Manche würden sagen, ja. Manche würden verneinen. Für Stephen Porges, Begründer der Polyvagal Theorie, ist menschliche Interaktion essentiell. Durch eine verbesserte Verbindung zu anderen Menschen, schaffen wir neue neuronale Verbindungen. Diese Verbindungen beruhigen das Herz, entspannen den Darm und regulieren auch die Angst.

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6. Juli 2024

Auf welcher Seite schläfst du?

Der Vagusnerv ist in aller Munde. Er wird als Schaltzentrale der Entspannung gesehen. Für ein funktionales Stressmanagement, tiefgehende Erholung und flexible Entspannung ist der Vagusnerv der Protagonist. Er spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Regulation des autonomen Nervensystem, welches unter anderem für den  Schlaf-Wach-Rhythmus zuständig ist. Jetzt soll das Schlafen auf der rechten Seite gewisse Vorteile für den Vagusnerv mit sich bringen. Es kommt zu einem erhöhten Druck auf den Vagusnerv. Dies führt zu einer erhöhten Stimulation und kann im Umkehrschluss den Schlaf verbessern aufgrund eines erhöhten Enstpannungszustands.

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6. Juli 2024

Vagus, Perfektionismus und Meditation

Meditierst du? Ja. Super! Nein? Vielleicht magst du es dir mal überlegen. Bei der Achtsamkeitsmeditation bist du in der Rolle des Beobachters. Du beobachtest deine Gedanken, deine Gefühle, ohne ihnen weiter nachzuhängen oder dich zu stark damit zu identifizieren. Reines Beobachten bedeutet, nicht bewerten, sondern nur wahrnehmen und zwar im Hier und Jetzt. Gedanken neigen nämlich dazu, immer mehr Gedanken zu produzieren. Man könnte dies Mäandern nennen oder Umherwandern. Ein ganz wichtiger Punkt ist folgender: Analyse führt zu Paralyse. Also, während einer Meditation wird nicht analysiert, sondern beobachtet. Dies schafft eine Lücke zwischen Wahrnehmung und Handlung, d.h. es wird nicht jedem Impuls sofort nachgegangen.

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