Eines Tages am Flughafen von Atlanta, ..., hinein in eine Bücherei, ..., ein Buch mit Zitaten schaute mich an und bat gelesen zu werden. Ich blätterte und fand dieses Zitat:

“First we make our decisions, then, these decisions turn around and make us.” Frank William Boreham

Entscheidungen

Entscheidungen! Jeder von uns kennt sie. Wir treffen sie jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde. Manchmal entscheiden wir aus dem Bauch heraus, manchmal treffen wir eine Entscheidung mit dem Verstand. Manchmal tun wir etwas, ohne überhaupt zu merken, dass wir bereits entschieden haben und manchmal entscheidet einfach nur die Zeit. Was machst du morgens, wenn der Wecker klingelt? Packst du mit eiserner Disziplin den Tag an oder döst du gerne noch ein paar Minuten länger? Putzt du dir vor dem Schlafengehen die Zähne, vor jedem Schlafengehen, auch wenn du müde in einer Hotelbar bist und dich ins Bett schleppen musst? Kümmerst du dich regelmäßig um deine Beweglichkeit, um auch im Alter noch geschmeidig zu bleiben, oder machst du erst etwas, sobald es weh tut? Trinkst du noch ein Glas Rotwein mehr, da jeder es tut und gibst dich somit dem Gruppenzwang hin, oder hörst du auf dein Bauchgefühl, dass es nun zu viel ist? Entscheidet bei dir primär der Kopf oder mehr der Bauch, oder beide zusammen? Es wäre jedoch gut, wenn Kopf und Bauch zusammenarbeiten.

Selbstkontrolle allein ist nicht optimal

Es gibt zwei Möglichkeiten, welche uns im Umgang mit unserem Bauch und unserem Kopf für Entscheidungen zur Verfügung stehen. Selbstkontrolle bzw. Selbstdisziplin ist die eine Möglichkeit und Selbstregulation die andere Möglichkeit. Selbstkontrolle ist auf Dauer eine suboptimale Lösung, mit sich umzugehen. Der Kopf bzw. der Verstand braucht einwandfreie Arbeitsbedingungen. Sobald es hier zu Störungen kommt, sei es nur die kleinste Ablenkung, steht es sehr schlecht mit der Selbstkontrolle. Störungen können sich in unterschiedlichster Art ausdrücken. Ein Zuviel von etwas ist genau so hinderlich wie ein Zuwenig von etwas. Versuchen wir zu viele Tätigkeiten unter einem Hut zu bringen, eine Bachelor Arbeit schreiben, im gleichen Zeitraum eine zusätzliche Sprache lernen und so ganz nebenbei im Verein eine verantwortungsvolle Tätigkeit mit übernehmen, kann dies unsere Selbstkontrolle ins Wackeln bringen. Genau so ungünstig wirkt sich Unterforderung oder Langeweile auf unsere Selbstkontrolle aus. Unser Gehirn braucht ein klein wenig Herausforderung, um flüssig an eine Tätigkeit heranzugehen. Eine mangelnde Befriedigung von Basisbedürfnissen wirkt sich auch negativ auf die Selbstkontrolle aus. Immer genügend zum Essen und zum Trinken zu haben, ausreichend Schlaf, aber auch andere Bedürfnisse wie Sicherheit und Selbstverwirklichung sollten nicht zu kurz kommen.

Willenskraft ist nicht immer dein Freund

Ist die Willenskraft zu stark ausgeprägt, so dass wir ständig mit einem Übermaß an Selbstkontrolle leben, kann dies verheerende Folgen, wie z.B. Burnout, Depression, Essstörungen etc. mit sich bringen. Einmal die Willenskraft dazu zu benutzen, etwas zu tun, was wir eigentlich nicht wollen, ist nicht notwendigerweise schlimm. Konstant und verbissen eine Ernährungsumstellung umzusetzen, ist wohl eher gesundheitsschädlich anstatt förderlich. Das kann aber auch nicht bedeuten, einfach zu tun und zu machen, was wir wollen, ohne Rücksicht auf Verluste. Wir leben ja schließlich nicht wie Einsiedler, sondern in einer Gemeinschaft mit vielen verschiedenen Individuen. Eine gesunde Mitte, ein nicht wirklich neuer Ansatz, wäre doch mal ein erstrebenswertes Ziel. Anstatt gesunde Mitte könnten wir auch Selbstregulation sagen.

Selbstkontrolle und Selbstregulation

Julius Kuhl unter anderen prägte diese beiden Begriffe, Selbstkontrolle und Selbstregulation. Bei der Selbstkontrolle arbeiten Kopf und Bauch nicht zusammen. d.h. jemand orientiert sich bezüglich seiner Entscheidungen nicht an sein emotionales Erfahrungsgedächtnis und seine somatischen Marker, sondern an Regeln, welche von außen kommen. In anderen Worten möchte der Bauch das eine, z.B. eine Familienpizza essen und der Verstand möchte das andere, nämlich fasten. Auf Dauer kann dies krank machen, wenn Bauch und Kopf im ständigen Twist nebeneinander her leben. Bei der Selbstregulation arbeiten Kopf und Bauch zusammen, d.h. jemand kann die somatischen Marker und die Emotionen gut wahrnehmen und in den Entscheidungsprozess miteinbeziehen. Eine verbesserte Selbstregulation erhöht die Selbstsicherheit. Diese erhöhte Selbstsicherheit ist für angemessene Entscheidungen sehr wichtig. Das Wissen von einem emotionalen Erfahrungsgedächtnis und die Fähigkeit, dieses Gedächtnis richtig zu interpretieren, ist hierbei von großer Wichtigkeit.

Entscheidungen liegen nicht in meiner Umwelt herum und warten darauf gepickt zu werden. Manchmal jedoch bedarf es der Geduld zu warten und zu beobachten. Sicherheiten gibt es dabei nie, sondern nur Wahrscheinlichkeiten. Die Person, welche dies verstanden hat, lebt ab sofort mit einer Prise mehr an Leichtigkeit. Es gibt auch nicht die eine richtige Entscheidung, sondern immer nur bessere oder schlechtere Entscheidungen für eine spezifische Situation. Und aus jeder Entscheidung, wie auch immer sie ausfallen sollte, lässt sich im Rückblick etwas lernen, sofern die Fühler auf Lernen eingestellt sind. Entscheidungen in einem Bereich zu treffen, von den man keine Ahnung hat, kann auch verheerende Folgen haben.

Das emotionale Erfahrungsgedächtnis

Gute Entscheidungen basieren nicht nur auf den Verstand. Das emotionale Erfahrungsgedächtnis, ein Begriff von dem Hirnforscher Gerhard Roth geprägt, entwickelt sich bereits vor der Geburt. Es speichert alles was dem Organismus widerfährt in Form von Gefühlen und Körperempfindungen. Das Gedächtnis ist von Person zu Person unterschiedlich, da jede Person bestimmte Verhaltensweisen unterschiedlich speichert, entweder angenehm oder unangenehm. Manche Menschen werden von klein auf dazu erzogen, Anderen zu helfen. Diese Einstellung im Erwachsenenalter zu ändern, kann Schuldgefühle hervorrufen. Nein zu sagen, wird zur Herausforderung.

Beispiel Selbstsicherheit

Es gibt ein sehr schönes Beispiel von der Psychologin Maja Storch – die Selbstsicherheit anhand des Stolzes bzw. des verletzten Stolzes. Selbstsicherheit entsteht dann, wenn nach einer gewissen Zeit eine Entscheidung getroffen wird, welche die zukünftige Verhaltensweise ändert. Diese Entscheidung basiert auf der Emotion und der Körperempfindung. Wenn jemand in seinem Stolz verletzt ist und gewisse Dinge nicht mehr akzeptieren möchte, einen Strich ziehen möchte, so hat dies nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Gefühl dahinter zu tun, denn dieses Gefühl läuft gerade über, wie ein volles Glas. Dieses gefühlte Selbst speist sich aus unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis, und dieses wiederum ist eng verbunden mit den somatischen Markern. Was für Marker?

Somatische Marker

Du weißt jetzt bereits, dass gute Entscheidungen nicht nur vom Verstand allein getroffen werden. Das Bauchgefühl, die weichen Knie, die kalten Hände, etc. haben meist mehr mit der Entscheidung zu tun, als du vermeintlich denken magst. Diese Empfindungen heißen somatische Marker und diese hat jeder Mensch. Manche nehmen sie wahr, andere wiederum nicht. Dann gäbe es auch noch die Art und Weise, wie die somatischen Marker wahrgenommen werden. Jeder Mensch nimmt diese Marker anders wahr. Wichtig für die Handlungsentscheidung ist, sie richtig zu interpretieren. Natürlich gibt es Menschen, die somatische Marker überhaupt nicht wahrnehmen. Ihre Eigenwahrnehmung ist kaum entwickelt, sie haben keinen Bezug zum emotionalen Erfahrungsgedächtnis, sie sind sehr kopflastig, sie besitzen nicht die Fähigkeit eigene Ziele von fremden Zielen zu unterscheiden, sie sind somit leicht von außen beeinflussbar. Überdies gibt es auch Menschen, welche die somatischen Marker wahrnehmen, jedoch ihre Entscheidungen nicht nach ihnen ausrichten. Auf Dauer speist dies ein Gefühl der inneren Zerrissenheit. Gelebt wird nicht das eigene Leben, sondern die Vorstellung wie man zu sein hat. Es könnte sich wie Theaterspielen anfühlen, wie als hätte man eine Maske auf.

Vorentscheidungen durch Bewertungen

Um Entscheidungen zu fällen, bedarf es einer Bewertung. Diese ist entweder verstandesgelenkt oder körperlich gelenkt, durch die somatischen Marker. Verstandesgelenkt würde bedeuten eine Kosten-Nutzen-Analyse zu erstellen, Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Somatische Marker funktionieren anders. Sie funktionieren nach dem Stop-oder-Go-Prinzip. Dieses Prinzip ist sehr schnell und dient primär dem Überleben und sekundär der Steigerung des eigenen Wohlbefindens. Nach diesen somatischen Markern folgen meist sachliche Überlegungen. Somatische Marker treffen somit eine Vorentscheidung. Diese somatischen Marker werden in der somatosensorischen Großhirnrinde verarbeitet, einem bestimmten Teil im Gehirn, verantwortlich für körperliche Signale, äußerliche wie innere. Menschen mit der Krankheit Anosognosie, also einer Schädigung der somatosensorischen Großhirnrinde, sind nicht nur in der Eigenwahrnehmung beeinträchtigt, sondern es mangelt ihnen auch an der Fähigkeit, angemessene Entscheidungen zu treffen. Halten wir fest: Emotionen und Körperwahrnehmung sind wichtig für angemessene Entscheidungen.

Für die psychische Gesundheit

Angemessene Entscheidungen führen auf Dauer zur psychischen Gesundheit. Dies bedeutet nicht, eigene Gefühle und Körpersignale zu unterdrücken, oder mit dem Verstand zu manipulieren, aber auch nicht, jedem Gefühlsimpuls hinterherzurennen. Psychisches Wohlbefinden besteht aus der Kongruenz der unbewussten Bewertung und der bewussten Bewertung, also aus der Übereinkunft von Bauch und Kopf. Erst dies erzeugt Authentizität. Ein Mensch der aus Überzeugung handelt wird auch genau so wahrgenommen. Wie schaffst du es nun, das Kopf und Bauch zusammen arbeiten, um dein psychisches Wohlbefinden zu erhöhen? Oder, wie schaffst du es vorab, überhaupt erst mal wahrzunehmen, was dein Bauch da so von sich gibt und zu hören, was dein Kopf dazu sagt?

Rückmeldeschleifen und Ideenkörbe

Eine Möglichkeit wären Rückmeldeschleifen (Storch, 2011), d.h. der ständige Austausch zwischen Bauch und Kopf. Dies kann sehr schnell gehen oder Wochen und Jahre dauern. Du könntest auch Fremde, keine Bekannten oder Freunde, befragen, wie sie in solch einer Situation entscheiden würden. Freunde und Bekannte wissen zu viel von dir und dies würde die Aussagen subjektivieren. Du sammelst also Ideen für einen Ideenkorb (Storch, 2010). Manchmal wissen andere Menschen besser, was dir gut tut, als du selbst. Aus diesem Ideenkorb wird die Idee herausgepickt, die dir am besten gefällt. Diese wird dann mit dem Verstand überprüft. Darauf basierend wird ein Plan von dir gemacht. Diesen wiederum überprüfst du regelmäßig mit Rückmeldeschleifen.

Verbesserung der Eigenwahrnehmung

Eine weitere Möglichkeit ist die Verbesserung der Eigenwahrnehmung, denn je mehr du von dir wahrnimmst, körperlich wie psychisch, desto besser wird deine Selbstregulation., d.h. erst wahrnehmen, dann regulieren. Methoden, wie Atemtherapie, Yoga, Qi Gong, die Franklin Methode oder auch Feldenkrais, können dir dabei helfen. Ich persönlich präferiere natürlich Feldenkrais, was du tust überlasse ich ganz dir selbst, solange es gut für Sie ist.

Weniger ist mehr

Wenn ich jetzt meine Eigenwahrnehmung verbessere, mit den entsprechenden Methoden, steht noch die Frage offen, wie mit der Informationsfülle umgegangen wird. Es scheint ja heute so zu sein, dass die schiere Fülle an Informationen zunimmt und je mehr ein Mensch sich auf diese schiere Fülle konzentriert, eine Entscheidung immer schwieriger wird. Das heißt auch, dass die zugrundeliegenden Muster darunter schwieriger zu entdecken sind (Bohne, 2022). Diese Muster zu erkennen wird durch eine Reduktion von Komplexität erleichtert (Weibel, 2014). Dies ist etwas was in PEP passiert. Reduktion auf das Wesentliche. Fokus auf das Wesentliche. Das Wesentliche ist die Art und Weise wie mein Körper mit mir spricht. Was wir hier suchen, sind somatische Marker, ein körperliches Signal, oder ein Embodiment, welches uns dann Unterstützung bietet im Entscheidungsprozess.

Fazit

So kurz wie möglich zusammengefasst. Eine gelungene Selbstregulation hat sehr viel mit einer verbesserten Körper- sowie Eigenwahrnehmung zu tun. Im Körper sitzen die somatischen Marker, welche mir etwas über mein emotionales Erfahrungsgedächtnis mitteilen. Bringe ich nun Bauch und Kopf in Übereinstimmung nachdem ich die Informationsfülle auf das Wesentliche reduziert habe, steht einer mir dienlichen Entscheidung nicht mehr so viel im Weg.

Literatur:

  • Bohne, Michael (2022). Psychotherapie und Coaching mit PEP. Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie in der Praxis. Heidelberg: Carl-Auer Verlag
  • Storch, Maja (2010). Machen Sie doch, was Sie wollen! Bern: Verlag Hans Huber
  • Storch, Maja (2011). Das Geheimnis kluger Entscheidungen. München: Piper Verlag
  • Weibel, Benedikt (2014). Simplicity - Die Kunst, die Komplexität zu reduzieren. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung