Brauchen Menschen andere Menschen um sich herum? Das ist eine gute Frage. Manche würden sagen, ja. Manche würden verneinen. Für Stephen Porges, Begründer der Polyvagal Theorie, ist menschliche Interaktion essentiell. Durch eine verbesserte Verbindung zu anderen Menschen, schaffen wir neue neuronale Verbindungen. Diese Verbindungen beruhigen das Herz, entspannen den Darm und regulieren auch die Angst.

Es ist bekannt, dass ein Mangel an Sozialkontakten mit depressiven Stimmungen einhergeht. Des Weiteren ist bekannt, dass dies die Wahrscheinlichkeit, an einer kardiovaskulären Symptomatik zu erkranken, erhöht ist. Schwerdtfeger und Friedrich-Mai (2009) machten dazu eine Studie und untersuchten, ob die kardiale autonome Kontrolle bei gesunden Personen mit depressiven Symptomen durch soziale Interaktion verändert werden kann. Dafür wurden bei 63 Teilnehmenden über 22 Stunden Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität (HRV) und körperliche Aktivität mittels eines externen Gerätes aufgezeichnet. Depressive Verstimmungen wurden mittels Fragebogen abgefragt. Es wurde herausgefunden, dass eine Depression zum einen mit einem erhöhten negativen Affekt einhergeht und zum anderen mit einer höheren Herzfrequenz im Tagesverlauf verbunden war. Teilnehmende mit einer niedrigen HRV zeigten höhere Depressionswerte. Der soziale Kontext konnte diesen Zusammenhang jedoch lindern, d.h. immer nur dann, wenn Teilnehmende, welche höhere Depressionswerte aufzeigten, sich sozialen Interaktionen auch hingaben anstatt alleine zu bleiben.

Bethany E. Kok und Barbara L. Fredrickson (2010) rekrutierten Erwachsene einer Universität und machten Messungen zum vagalen Tonus. Dies wurde zu Beginn und neun Wochen später durchgeführt. Sie untersuchten den Zusammenhang der autonomen Flexibilität, die durch den Vagustonus indiziert wird, mit dem Anstieg positiver Emotionen und sozialer Verbundenheit. Sie fanden heraus, dass Erwachsene mit einem höheren Grad an Vagustonus soziale Verbundenheit und positiven Emotionen schneller und besser fühlen. Darüber fanden sie heraus, dass der Grad der Veränderung der sozialen Verbundenheit und der positiven Emotionen eine Veränderung des Vagustonus vorhersagte, unabhängig vom anfänglichen Vagustonus-Niveau.

Was lässt sich jetzt daraus schließen? Die Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einem höheren vagalen Tonus und Wohlbefinden bzw. dem Wahrnehmen positiver Emotionen. Ein höherer vagaler Tonus lässt auch die Erfahrung von sozialer Interaktion als positiver erscheinen. Ein niedriger vagaler Tonus kann somit als Indikator verstanden werden, eine erhöhte Wahrscheinlichkeit zu haben, an einer Depression zu erkranken.

Eine verringerte Herzfrequenzvariabilität (HRV) geht mit einer depressiven Stimmungslage einher. Was jedoch noch nicht ganz klar ist, ist, ob Antidepressiva damit zu tun haben könnten. Dazu wurden 4750 Teilnehmende der Längsschnittsstudie Tilda untersucht (O'Regan et al., 2015). Hier wurde folgendes herausgefunden. 265 Teilnehmer, welche Antidepressiva nahmen, davon 80 mit einer Depression, zeigten signifikante HRV Unterschiede zu den Kontrollpersonen (4107 Personen, ohne Depression und ohne Antidepressiva). Was noch spannender ist: Depressive Teilnehmer ohne Antidepressiva (317 Teilnehmer) unterschieden sich bezüglich der HRV Messung nicht von der Kontrollgruppe. Bei der linearen Regressionsanalyse wurde herausgefunden, dass alle Teilnehmer, welche Antidepressiva nahmen, niedrigere HRV Messungen aufwiesen. Daraus schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass die Verringerung der HRV auf die Wirkung der Antidepressiva zurückzuführen ist.

Und nun??? Raus unter die Leute, nicht den ganzen Tag, nicht jeden Tag, sondern in regelmäßigen Abständen und in geregelten Dosen. 

Literatur:

  • Kok, B. E., & Fredrickson, B. L. (2010). Upward spirals of the heart: autonomic flexibility, as indexed by vagal tone, reciprocally and prospectively predicts positive emotions and social connectedness. Biological psychology, 85(3), 432–436. https://doi.org/10.1016/j.biopsycho.2010.09.005
  • O'Regan, C., Kenny, R. A., Cronin, H., Finucane, C., & Kearney, P. M. (2015). Antidepressants strongly influence the relationship between depression and heart rate variability: findings from The Irish Longitudinal Study on Ageing (TILDA). Psychological medicine, 45(3), 623–636. https://doi.org/10.1017/S0033291714001767
  • Schwerdtfeger, A., & Friedrich-Mai, P. (2009). Social interaction moderates the relationship between depressive mood and heart rate variability: evidence from an ambulatory monitoring study. Health psychology : official journal of the Division of Health Psychology, American Psychological Association, 28(4), 501–509. https://doi.org/10.1037/a0014664 

Bilder: