Ich erinnere mich an die Zeit in Seattle mit Angel Di Benedetto und Richard Corbeil. Wir waren alle zusammen in der St. Edwards School, um von früh bis abends Feldenkrais zu lernen. Am Abend saß ich oft in der Universität Bastyr und ließ das Gesagte Revue passieren. Manchmal nahm ich einen Spaziergang durch den wunderschönen St. Edwards Park. Manche Abende schrieb ich meine Gedanken auf, in eine Art Tagebuch. Hier ist ein Auszug meiner damaligen Erfahrungen und Gedanken.

“Der Körper repräsentiert den Geist. In anderen Worten, wenn du wissen möchtest, welche Gedanken eine Person haben könnte, beobachte deren Körper, deren Haltung, deren Bewegung. Die Eindrücke, welche du daraus erhältst sind nicht statisch. Die Haltung nimmt eine Person jeden Tag mit, somit wird diese Haltung zu etwas Gelebten, zu “acture”. Acture ist die englische Erweiterung des Wortes “posture”. Du kannst es auch so lesen. “Posture in action” – Haltung in Bewegung. Diese Haltung ist dynamisch. Sie ändert sich mit der mentalen Einstellung und unterliegt einem konstanten Fluß. Du kannst niemals in den gleichen Fluß steigen, da dieser sich immer ändert. Vielleicht kennst du den Spruch von Heraklit. Der Geist kann dem Körper helfen mehr zu fließen und der Körper kann dem Geiste helfen mehr bei sich zu sein.”

Wie nimmst du die Welt wahr? Wie siehst du dich selbst? Wie errichtest du dir deinen Tag und was hat Haltung damit zu tun? Die Art und Weise, wie du morgens aufstehst, wie du denkst, welche Gefühle du verkörperst, werden mehr oder weniger bestimmen, wie du dich bewegst, auch wie du dich hältst. Die Haltung offenbart bis zu einem gewissen Grad, welches genetische und soziale Erbe du mit dir herumträgst.

Haltung in Zeit und Raum

Mabel Elsworth Todd, eine Pionierin im Bereich Körperarbeit, nutzte Bilder, um Anatomie und die Kräfte, welche darauf einwirken, greifbarer zu machen. Das folgende Zitat finde ich einfach nur phänomenal. 

„The postural pattern is that of many small parts moving definite distances in space, in a scheme perfectly timed, and with the exact amount of effort necessary to support the individual weights, and to cover the time-space-movement.” (Franklin, 1996, S. 14)

Das hört sich sehr dynamisch an, Haltung als eine sich immer ändernde Eigenschaft vom Menschsein. Moshé Feldenkrais betrachtete eine gute Haltung als die Fähigkeit jederzeit und in jede gewünschte Richtung mit einem Minimum an muskulärer Kraft eine Bewegung initiieren zu können. Das könnte bedeuten, das jeder Wirbelkörper mit dem nächst liegenden optimal ausgerichtet ist. Dies macht es Dir einfach, dich fortzubewegen.

Im Artikelbild siehst du Steine aufeinander. Diese Steine sind optimal zueinander ausgerichtet. Die Kraftlinie von oben nach unten verläuft vertikal zum Untergrund. Du kannst die Erdanziehungskraft zu deinem Freund machen. Ich glaube daran, dass du dies kannst. Glaubst du auch daran?

Anbei findest du eine kurze (ca. 40 Min.) Lektion zum Thema Strecken. Nimm Dir dafür einen ruhigen Ort mit wenig Ablenkung. Du brauchst Platz am Boden, evt. eine weiche Decke als Unterlage. Du kannst die Lektion jederzeit unterbrechen und ein anderes Mal weitermachen. Viel Vergnügen damit. Am Ende lese den Artikel gerne noch einmal durch. Vielleicht liest du ihn jetzt anders.

Literatur:

  • Franklin, Eric (1996). Dynamic Alignment through Imagery. Champaign: Human Kinetics