Du sitzt am Schreibtisch, konzentriert am PC und plötzlich summt eine Fliege an deinem rechten Ohr und setzt sich anschließend auf dein Gesicht. Der Juckreiz löst einen unverzüglichen Reflex deiner rechten Hand aus, diese Fliege von deinem Gesicht zu vertreiben. Nennen wir die Fliege mal Trigger und deine Handbewegung Antwort. Es ist verständlich, diesen Juckreiz weghaben zu wollen, so wie es auch verständlich ist, negative Gefühle weghaben zu wollen, oder nervige Gedanken. Manchmal führen Gefühle wie Angst, Wut oder Empfindungen wie Stress zu Verhalten wie Rauchen. Jetzt ist es nachvollziehbar, dass eine Lücke zwischen Trigger und Antwort hilfreich sein kann, die Antwort zu modulieren. Sinnvoll wäre dies bei Antworten, welche eventuell nachträgliche Folgen haben, wie z.B. das Rauchen, oder auch andere süchtig machende Substanzen. 

Konditioniert…

Viele Menschen rauchen, viele wollen es nicht. Manche hören auf und bleiben dabei, bleiben abstinent. Viele Menschen tun sich allerdings schwer, abstinent zu bleiben. Es wurde nachgewiesen, dass Rauchen durch operante Konditionierung, insbesondere negative Verstärkung, z. B. Rauchen zur Linderung negativer affektiver Zustände, aufrechterhalten wird (Carey et al., 1993; Carmody, 1992). Das Training der Achtsamkeit oder der Bewusstheit kann eines von mehreren Tools sein, um die Rauchentwöhnung anzugehen. 

… und wieder entkoppelt

Elwafi und Kollegen (2013) wollten dies untersuchen. Ziel dieser Studie war es, die Auswirkungen von Achtsamkeitsübungen auf die Beziehung zwischen dem Rauchen und dem Verlangen danach nach vier Wochen Training zu untersuchen. Dazu erhielten 33 Erwachsene formelle und informelle Achtsamkeitsübungen. Sie wurden gebeten, ihre Aufmerksamkeit auf ihre Atmung zu legen und ihre Gedanken, Gefühle und Empfindungen ohne Bewertung zu beobachten. Obwohl das Verlangen nach den Zigaretten noch vorhanden war, unterstützte das Training dabei, die Lücke zwischen Trigger und Antwort anwachsen zu lassen. Dies führte über die Zeit dazu, dass das Verlangen, welches am Anfang stark ausgeprägt war, nachließ. Es kam zu einer Entkopplung durch das Training von Bewusstheit. Die Wissenschaftler schlussfolgerten daraus, dass ein Training der Bewusstheit wirksam sein kann. Es lässt sich sogar eine Entkopplung der Verbindung zwischen Verlangen und Rauchen vorhersagen.

Ein weiteres Beispiel für die Wirksamkeit von Bewusstheit zur Rauchentwöhnung liefert eine Studie von Brewer und Kollegen (2011). Diejenigen, die ein Achtsamkeitstraining absolvierten, verzeichneten eine höhere Reduktionsrate des Zigarettenkonsums während des Trainings. Ein Drittel der Probanden waren sogar vier Wochen nach dem Training noch rauchfrei. Ich würde sagen, hier hat Lernen stattgefunden, selbstwirksames Lernen.

Bandura und Selbstwirksamkeit

Der kanadische Psychologe Albert Bandura (1997) sagte, dass bevor Kinder wissen, dass sie mit ihrem eigenen Verhalten gewisse Situationen ändern können, müssen sie erst ein Verständnis von kausalen Zusammenhängen entwickeln. Kausalität ist die Beziehung von Ursache und Wirkung, d.h. ich fasse mit meiner Hand auf die heiße Herdplatte (Ursache) und dadurch verbrenne ich mir die Finger (Wirkung). Der Umgang der Eltern mit ihren Kindern ist dabei von ausschlaggebender Rolle. Indem die Eltern den Kindern genügend Raum und Zeit zur Entwicklung lassen, haben die Kinder wiederum die Möglichkeit, Situationen selbst zu meistern. Dadurch verzeichnen Kinder Erfolge und dies speist die Überzeugung, selbst “Herr der Lage” zu sein. Der Nährboden für eine gesunde Selbstwirksamkeit wäre gegeben.

Kompetenzen und Konsequenzen

Selbstwirksamkeit besteht hierbei aus zwei Bausteinen. Zum einen gibt es den Baustein der Konsequenzerwartung, d.h. Kinder realisieren, dass gewisse Verhaltensweisen gewisse Wirkungen hinterlassen. Zum anderen ist da der Baustein der Kompetenzerwartung, d.h. Kinder realisieren, dass sie die nötigen Fähigkeiten haben, um eine Situation selbstständig zu meistern. Zeigen beide Bausteine in die gleiche Richtung, bzw. stimmen beide Erwartungen überein, steht der Entwicklung der Selbstwirksamkeit nichts entgegen. Wie sieht es eigentlich mit Feldenkrais und Selbstwirksamkeit aus?

Empfindsamkeit gegenüber uns

Moshé Feldenkrais war sich dem Fakt bewusst, dass unser Lernen zum großen Teil unterbewusst abläuft. Das beste Lernen passiert dabei ohne Willenskraft. Es passiert einfach nebenbei, in dem ich mir Fragen stelle wie: Wie stehe ich im Moment? Wie sitze ich im Moment? Wo geschieht meine Atmung? Wie leicht fällt mir gerade die Bewegung? Wir werden empfindsamer mit unserem Körper und dessen Bewegungen in Raum und Zeit. 

Empfindsamkeit hilft bei der Entkoppelung

Indem wir empfindsamer werden, können wir auch besser mit Impulsen umgehen. Die Empfindsamkeit wirkt hier wie ein Frühwarnsystem. Impulse können sich in Gedanken, Gefühlen oder Empfindungen zeigen, welche mit Automatismen verknüpft sind. Automatismen sind Verhaltensmuster. Und plötzlich laufen diese Automatismen ab. Genau in diesem Prozess passiert es dann. Der Impuls wird bewusst. Sobald der Impuls bewusst wird, können wir einen Abstand gewinnen. In diesem Abstand können wir die Zeit mit einer Aufmerksamkeitslenkung fühlen. Wir lenken die Aufmerksamkeit auf den Atem und beobachten ihn immer und immer wieder. Wir können zusätzlich unseren Körper im Raum wahrnehmen. Stehen wir, sitzen wir, liegen wir. Wie fühlen sich Partien in uns an, der untere Rücken, der Nacken, die Fußsohlen. Wir kreieren Zeit und sind aufmerksam im Hier und Jetzt. In dieser Zeit entsteht mehr Freiraum, oder mehr Lücke, wie oben erwähnt.

Empfindung ist das Wahrnehmen von Unterschieden

Dieser Freiraum hilft uns, unsere Empfindsamkeit gegenüber unserem Körper zu steigern.  Ich erkläre das mal mit einem Gesetz nach Ernst Heinrich Weber und Gustav Theodor Fechner. Das Weber-Fechner-Gesetz beschreibt die Beziehung zwischen einem Reiz und dessen Empfindung. Stelle dir ein Koordinatensystem vor. Auf der X-Achse findest du die objektive Reizstärke. Auf der Y- Achse findest du die wahrgenommene Reizstärke, oder die Sinnesempfindung des objektiven Reizes. Gustav Theodor Fechner fand heraus, dass sich die Stärke von Sinneseindrücken/Sinnesempfindungen proportional zum Logarithmus der objektiven Intensität des Reizes verhält. In der Feldenkrais Sprache übersetzt heißt dies, je weniger wir tun, also, je kleiner und feiner wir die Bewegungen ausführen, desto genauer ist unsere Wahrnehmung von genau diesen Bewegungen. Und dies ist nicht bei allen Personen gleich, d.h. jeder Mensch sucht nach der richtigen Schwelle. Ist der objektive Reiz so klein, dass wir nichts wahrnehmen ist dies genau so hinderlich, als wenn der objektive Reiz viel zu stark ist.

Fazit

Indem wir die Wahrnehmung unserer Bewegung verbessern, lernen wir zu differenzieren, also Unterschiede festzustellen. Die Person, welche Unterschiede feststellen kann, ist genau dadurch lernfähig. Das Weber- Fechner-Gesetz kann hier als eine Raumerweiterung verstanden werden. Mit Raumerweiterung meine ich unseren Handlungsspielraum. Wir können nun, durch eine verbesserte Differenzierung und die anschließende Integration dieser Bewegungsverbesserung in unser Nervensystem, angemessener, effizienter und eleganter auf eine Handlungsherausforderung reagieren. In anderen Worten, wir arbeiten an unserer Selbstwirksamkeit durch Bewusstheit oder Achtsamkeit. Und diese kann, wie die Studien oben zeigen, zur Rauchentwöhnung beitragen.

Literatur:

  • Bandura, A. (1997). Self-efficacy. The exercise of control. New York: Freeman & Company
  • Brewer JA, Mallik S, Babuscio TA, Nich C, Johnson HE, Deleone CM, Minnix-Cotton CA, Byrne SA, Kober H, Weinstein AJ, Carroll KM, Rounsaville BJ, (2011). Mindfulness training for smoking cessation: results from a randomized controlled trial. Drug Alcohol Depend. 2011 Dec 1;119(1-2):72-80. doi: 10.1016/j.drugalcdep.2011.05.027. Epub 2011 Jul 1. PMID: 21723049; PMCID: PMC3191261.
  • Carey, M. P., Kalra, D. L., Carey, K. B., Halperin, S., & Richards, C. S. (1993). Stress and unaided smoking cessation: a prospective investigation. Journal of consulting and clinical psychology, 61(5), 831–838. https://doi.org/10.1037//0022-006x.61.5.831
  • Carmody T. P. (1992). Affect regulation, nicotine addiction, and smoking cessation. Journal of psychoactive drugs, 24(2), 111–122. https://doi.org/10.1080/02791072.1992.10471632
  • Elwafi, H. M., Witkiewitz, K., Mallik, S., Thornhill, T. A., 4th, & Brewer, J. A. (2013). Mindfulness training for smoking cessation: moderation of the relationship between craving and cigarette use. Drug and alcohol dependence, 130(1-3), 222–229. https://doi.org/10.1016/j.drugalcdep.2012.11.015