Meditierst du? Ja. Super! Nein? Vielleicht magst du es dir mal überlegen. Bei der Achtsamkeitsmeditation bist du in der Rolle des Beobachters. Du beobachtest deine Gedanken, deine Gefühle, ohne ihnen weiter nachzuhängen oder dich zu stark damit zu identifizieren. Reines Beobachten bedeutet, nicht bewerten, sondern nur wahrnehmen und zwar im Hier und Jetzt. Gedanken neigen nämlich dazu, immer mehr Gedanken zu produzieren. Man könnte dies Mäandern nennen oder Umherwandern. Ein ganz wichtiger Punkt ist folgender: Analyse führt zu Paralyse. Also, während einer Meditation wird nicht analysiert, sondern beobachtet. Dies schafft eine Lücke zwischen Wahrnehmung und Handlung, d.h. es wird nicht jedem Impuls sofort nachgegangen.

Was hat die Herzfrequenzvariabilität (HRV) mit dem Vagusnerv zu tun?

Die HRV ist ein vermittelter Biomarker der Herzfunktion und der Vagusnerv hat darauf eindeutig Auswirkungen. Eine Studie (Azam et al., 2015) untersuchte den Zusammenhang der Ausprägung Herzratenvariabilität mit dem maladaptivem Perfektionismus und der Achtsamkeitsmeditation. Die Wissenschaftler nehmen an, dass Achtsamkeitsmeditation die HRV erhöht.

Zwei Varianten des Perfektionismus 

Beim Perfektionismus wird unterschieden zwischen Adaptiven Perfektionismus und Maladaptiven Perfektionismus. Adaptiver Perfektionismus bedeutet: Eine Person hat einen hohen Standard, welcher jedoch noch auf eine gesunde Weise umgesetzt wird. Es fehlt nicht an gesunder Selbstkritik, was es einfacher macht aus Fehlern zu lernen. Adaptiver Perfektionismus könnte somit sogar als selbstwirksamkeitssteigernd angesehen werden. Im Gegensatz dazu kann ein Maladaptiver Perfektionismus das Wohlbefinden erheblich reduzieren. Hier liegen die eigenen Standards zu hoch. Die Selbstkritik befindet sich in einem eher ungesunden Feld, was einer grenzenlosen Selbstoptimierung gleichkommt. Eine ständiges Bemühen nach Anerkennung im Außen verstärkt diesen Maladaptiven Perfektionismus.

Für diese Studie wurden 21 Maladaptive Perfektionisten und 39 Kontrollpersonen herangezogen. Dafür wurde die HRV während einer 5-minütigen Baseline-Ruhephase, einer 5-minütigen kognitiven Stressinduktionsphase und einer Poststressphase gemessen. In der Post-Stress-Phase wurden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer 10-minütigen Achtsamkeitsmeditation unter Audio-Anleitung oder einer 10-minütigen Ruhephase mit Audio-Beschreibung der Achtsamkeitsmeditation zugeteilt. Die Analysen ergaben einen signifikanten Anstieg der HRV während der Meditation bei den Kontrollpersonen, nicht aber bei den Perfektionisten.

Was heißt das jetzt genau?

Achtsamkeitsmeditation fördert die Entspannung nach kognitivem Stress. Ein Maladaptiver Perfektionismus verhindert die Entspannung. Noch genauer: Fokussierung auf die Atmung fördert die Entspannung. Dabei ist es nicht wichtig, welche Meditationsform gewählt wird, sofern diese eine Fokussierung auf die Atmung beinhaltet. Also, die Meditationsform ist zweitrangig. Perfektionisten neigen dazu, egal welche Meditationsform, alles perfekt machen zu wollen. Diesen Wollen gleicht einem Zwang und setzt die Perfektionisten so sehr unter Druck, dass die Meditationsform zu einer Stresserzeugung führt. Einem Perfektionisten zu sagen, „entspann dich doch mal und meditiere“ ist ungefähr vergleichbar mit, einer Katze zu sagen, sie solle jetzt gefälligst tauchen.

Von daher sage ich, mach so viele Fehler wie möglich, wenn du magst, lerne daraus und habe Spaß, diese Fehler zu machen. Mehr Fehler und mehr Fehlertoleranz gegen eine zügellose Selbstoptimierung.

Literatur:

  • Azam, M. A., Katz, J., Fashler, S. R., Changoor, T., Azargive, S., & Ritvo, P. (2015). Heart rate variability is enhanced in controls but not maladaptive perfectionists during brief mindfulness meditation following stress-induction: A stratified-randomized trial. International journal of psychophysiology : official journal of the International Organization of Psychophysiology, 98(1), 27–34. https://doi.org/10.1016/j.ijpsycho.2015.06.005

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