Wie geht es Dir wenn du sitzt? Wie fühlst du dich dabei? Ist es anstrengend für dich oder leicht? Für viele Menschen ist Sitzen heute eine Arbeitshaltung, vor einigen Jahrzehnten war Sitzen noch eine Position, welche zum Entspannen eingenommen wurde. Bei mir wirft dies eine Erinnerung an meine Großeltern auf, welche auf dem Acker arbeiteten. Abends als sie zur Ruhe kamen, saßen sie beim Essen auf schlichten Holzstühlen zusammen. Auch danach saßen sie weiter auf diesen Stühlen und nicht auf der Couch wie heute. Was könnte das für Auswirkungen gehabt haben? Auf schlichten Holzstühlen können wir auch heute noch sitzen, doch wie tun wir dies?

Moshés „ready-to-action-call“

Laut Moshé Feldenkrais können wir durch den sogenannten “ready-to-action-call” überprüfen, ob wir eine optimale Sitzposition eingenommen haben, d.h. wir müssen uns nicht erst organisieren, die Beine und Füße zurechtrücken, sondern können direkt vom Sitzen zum Stehen kommen und uns dann in jede Richtung fortbewegen. Sitzen wir also auf einem schlichten Holzstuhl und können sofort, ohne große Anstrengung und ohne uns in den Gelenkstellungen zu rekonfigurieren, aufstehen, so sprechen wir von Moshés “ready-to-action-call”. 

Laufen und Liegen - Sitzen und Stehen

Während meiner Arbeit in der Medizinischen Trainingstherapie sprachen wir von den zwei L ́s und von den zwei S ́s. Laufen und Liegen ist gut, im Kontrast zum Sitzen und Stehen. Beim Sitzen arbeiten die Hüftgelenke in einem verminderten Bewegungsradius. Überdies wird die Darmperistaltik beeinträchtigt. Evolutionär betrachtet ist Sitzen der Übergang vom Stehen in die Hocke. Jetzt haben wir jedoch Stühle. Diese sind gar nicht mehr so leicht wegzudenken und gerade deswegen ist es umso mehr sinnvoll, sich ein wenig näher mit dem “WIE” des Sitzens zu beschäftigen.

Dynamisches Sitzen

Sitzen bedeutet nicht, sich nicht zu bewegen. Wir bewegen uns auch im Sitzen. Auch Sitzen ist dynamisch. Wir suchen immer wieder eine Balance zwischen linker und rechter Körperseite und auch zwischen Vorder- und Rückseite. Wie auch im Stehen die Schwerkraft auf uns wirkt, so tut sie dies auch im Sitzen. Jedoch merken wir es im Stehen mehr in den Füßen, auf denen unser ganzes Gewicht lastet. Beim Sitzen merken wir es mehr in unseren Sitzbeinhöckern. Auf diesen Sitzbeinhöckern bewegen wir uns vor, zurück und zu den Seiten. Dieses dynamische Sitzen ist immer eine balancierte Bewegung, ein Suchen nach Balance in der Schwerkraft, eine optimale Verteilung der Kräfte. Wir begeben uns nun auf eine Forschungsreise à la Feldenkrais und finden heraus “was” uns “wie” stützt.

Die Füße als Verbindung zum Grund

Wo stehen deine Füße genau? Stehen diese mit der Ferse genau unterhalb des Knies, oder versetzt zur Seite, nach vorne oder nach hinten? Dies ändert den Winkel im Fußgelenk, je nachdem wo deine Füße stehen. Stehen deine Füße überhaupt ganz auf dem Boden, oder sind es nur die Zehen, oder etwa die Fersen, sofern du die Beine ausgestreckt hast. In welche Richtung schauen deine Zehen, nach vorne oder nach außen? Hier kannst du dir eine Uhr unter dem Fuß vorstellen. Auf welcher Stunde steht der rechte und der linke Fuß? Die Richtung in welche deine Zehen schauen beeinflusst die Position deines Oberschenkels. Fällt dieser extrem nach außen oder nach innen, so leistest du einen erhöhten muskulären Aufwand. Dies kannst du umgehen, in dem du mit der Fußposition ein wenig spielst. 

Beine als die Verbindung von Fuß und Becken

Die Position der Oberschenkel gibt Dir Aufschluss über Abduktion und Adduktion, d.h. wie weit die Oberschenkel nach außen bzw. nach innen sehen. Du kannst Dir auch hier eine Uhr vorstellen, auf der du sitzt. Auf welcher Stunde befindet sich der rechte und der linke Oberschenkel? Die Stellung der Oberschenkel beeinflusst auch die Beckenstellung, in anderen Worten, die Stellung beeinflusst die Art und Weise wie du auf deinen Sitzbeinhöckern sitzt. Wieviel von deinen Oberschenkeln befinden sich auf dem Stuhl und wieviel befinden sich in der Luft. Je mehr sich vom Oberschenkel in der Luft befindet, desto beweglicher wird die Hüfte. Du darfst jedoch schon ein Gefühl haben, das sich dein kompletter Po auf dem Stuhl befindet und nicht ganz vorne auf der Kante. Wenn die Oberschenkel ausserdem ein klein wenig nach außen schauen, also Richtung 1 Uhr und 11 Uhr, könnte es Dir ausserdem leichter fallen den Oberkörper aufzurichten.

Die Körpermitte Becken

Wo befindet sich dein Becken, ist es mehr nach vorne oder nach hinten gekippt? Ist der untere Rücken mehr im Hohlkreuz, so wäre das Becken nach vorne gekippt. Ist das Becken nach hinten gekippt, so flacht der untere Rücken mehr ab, du lümmelst sozusagen mehr im Stuhl. Die Beckenstellung gibt Dir Aufschluss über die Streckung und Beugung deiner Wirbelsäule bis hoch zum Kopf. Kippe das Becken abwechselnd nach vorne und nach hinten und achte dabei darauf, welche Auswirkungen dies auf die Haltung des Kopfes hat. Wo befindet sich dein gesunder Mittelpunkt zwischen nach vorne und nach hinten gekippten Becken? Wenn die Oberschenkel auf 11 Uhr und 1 Uhr stehen, so könnte es Dir leichter fallen das Becken ein wenig nach vorne zu kippen, was Dir wiederum einen Schub nach oben gibt, hin zur Aufrichtung.

Die Wirbelsäule

Die Wirbelsäule verbindet das Becken mit dem Kopf. Das Becken, jedes einzelnes Wirbelsegment bis hin zum Kopf, entspricht Bereichen. Diese Bereiche befinden sich übereinander. Wie diese Räume jetzt aufeinander stehen ist ausschlaggebend für die Lotlinie, die du vom Kopf nach unten fallen lässt. Steht diese Lotlinie senkrecht am Boden, oder ist diese nach vorne/hinten oder zur Seite geneigt? Dies gibt Dir Aufschluss über vermehrte Muskelaktivität auf einer bestimmten Seite, entweder links und rechts, oder vorne und hinten.

Schultern und Armen als Verbindung nach außen

Fallen deine Schultern nach vorne und kollabierst du somit auch im Brustkorb oder schiebst du das Brustbein extrem nach vorne oben und ziehen die Schultern weit nach hinten? Zwischen beiden Extremen gibt es einen gesunden Mittelweg. Hängen die Schultern entspannt und liegen die Arme auf den Oberschenkeln? Kannst du diese entspannte Schulterposition beibehalten, auch wenn du die Arme bewegst, wenn du mit den Händen etwas tust?

Die Orientierung mit dem Kopf

Ist dein Kiefer entspannt? Wo siehst du mit den Augen hin? Telezeptoren wie die Augen, die Ohren und die Nase können deine Haltung beeinflussen. Da Augen die Körperwahrnehmung beeinflussen können, ist es hier ratsam, für kurze Zeit die Augen zu schließen und in sich hinein zu spüren. Eine einseitige Arbeitshaltung im Büro kann und führt auch sehr oft zu Verspannungen im Schulter-, und Nackenbereich.

Atmung - Quelle der Lebendigkeit

Diese gibt Dir Aufschluss über die Raumfüllung, d.h. welche Körperbereiche bewegen sich wie beim Ein- und beim Ausatmen. Atmest du tief oder flach? Was hebt sich alles beim Einatmen, der Brustkorb, der Schultergürtel, der Kopf, oder wölbt sich der Bauchraum heraus?

Abschließende Worte

Das waren eine Menge Fragen, die dich eine Weile beschäftigt halten. In dieser Forschungsreise findest du Stück für Stück heraus, wie du dich besser organisieren kannst. Je besser du organisiert bist, desto leichter fällt es Dir für längere Zeit zu sitzen, einfach aufzustehen und etwas anderes zu tun, ohne sich davor erst strecken zu müssen.

Hier nun zwei Audiolektionen, welche du zu Hause in aller Ruhe ausprobieren kannst. Setze dich dazu auf einen Holzstuhl mit planer Sitzfläche. Der Stuhl sollte so hoch sein, das deine Oberschenkel von den Hüftgelenken leicht zum Knie abfallen oder mindestens horizontal sind. Sollten die Oberschenkel leicht nach oben schauen, nimm bitte einen höheren Stuhl oder lege Dir ein dickes großes Buch unter dein Gesäß. Viel Spaß nun mit der Lektion.

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