Ja, das ist eine gute Frage. Was sind denn eigentlich Ressourcen? Wenn ich über diese Frage nachdenke, denke ich an Entwicklung. Entwicklung hin zu einem authentischen Leben. Ein Leben, welches mir entspricht. Ein Mensch will leben, doch irgendwie scheint es damit gar nicht so leicht zu sein. Manchmal entsteht Leiden, das kann kurz anhalten oder auch länger andauern. Wenn es jedoch nicht mehr erträglich ist, ist der Wunsch da es zu ändern. Der Mensch will leben und der Weg dahin gestaltet sich als interessant, spannend und auch herausfordernd. Für den Weg, weg vom Leiden, hin zum Leben, sind Ressourcen unabdingbar.

Was kennzeichnet Leiden?

Es gibt unzählige Beschreibungen von Leiden. Anbei mal vier Annäherungen, welche ich interessant finde. Laut Laurence Heller (2012), Gründer des Neuro Affective Relational Model (NARM), ein systemischer Ansatz für die Behandlung von Entwicklungsproblemen, leiden wir aufgrund einer systemischen Dysregulation unseres Nervensystems, Verzerrungen der Identität und Brüchen im Bindungsverhalten. Diese Gründe gehen zurück auf traumatische Erlebnisse. Nach Irvin Yalom (2003), Vertreter der existenziellen Psychotherapie, leiden wir aufgrund von vier nicht beantworteten grundlegenden Themen, die alle Menschen teilen: die Unausweichlichkeit des Todes, die Freiheit mein Leben so zu gestalten wie ich will, die existentielle Isolation und die Frage nach dem Sinn des Lebens. Kommt es hierbei zu einer Antwort, so kommt es zu einer Auflösung des Leids. Für Sylvester Walch (2011), Psychotherapeut und Ausbilder für Holotropes Atmen, transpersonale Psychologie und transpersonale Psychotherapie, besteht Leiden in noch nicht aufgelösten inneren Blockaden. Leiden aus der Sicht von Carl Rogers (1995), ein humanistischer Psychologe und Entwickler der Personenzentrierten Psychotherapie, entsteht durch eine Inkongruenz zwischen dem, was ein Mensch wirklich ist und dem Bild, das er von sich hat. Diese Inkongruenz könnte aus ungünstigen Entwicklungs- und Bindungserfahrungen resultieren.

Ganz einfach ausgedrückt würde ich mich dem so annähern. Ein Mensch leidet, weil er nicht wirklich lebt. Ein Mensch lebt nicht wirklich, weil es einen Mangel gibt, eine fehlende Verbindung zum Leben, der Welt und dem Selbst. Das Leiden im Leben ist also: Nicht Selbst Sein Hier Jetzt. Es möchte etwas raus, was noch im Verborgenen liegt. Ähnlich wie bei einem Schmetterling. Die Raupe wird zur Puppe. Hier passiert nun ein Wunder: die Metamorphose. Die Raupe wird zu einem Schmetterling. Sie hat sich entfaltet.

Entfaltung oder Aktualisierung

Das was sich zeigen will nennt Carl Rogers (1995) die Aktualisierungstendenz des Menschen, d.h. alles Lebendige will sich entfalten, unabhängig von den Rahmenbedingungen. Diese Aktualisierungstendenz macht es leichter zu verstehen, warum sich unter gewissen Rahmenbedingungen gewisse Überlebensmuster herausbilden. Bei diesen Überlebensmuster haben wir das Vertrauen in uns selbst verloren, ergo, wir übernehmen Bewertungen und somit das Vertrauen anderer Menschen, ergo, wir leben nicht uns selbst. Dies hat natürlich Gründe, denn alle Menschen haben auch ein Bedürfnis nach positiver Zuwendung. Das führt dann dazu, dass im Kleinkindalter die Selbstkonzepte anderer Menschen übernommen werden. Diese Konzepte können zuträglich oder abträglich für die eigene Entwicklung sein. Letztlich pendeln Menschen zwischen der Entwicklung ihrer Individualität und der Einbettung in einer sozialen Gruppe hin und her. Ziel dieser Aktualisierungstendenz ist es, eine höhere Kongruenz herzustellen, zwischen der Person, die ich bin und dem Bild, das ich von mir habe. Je höher die Kongruenz desto höher ist auch der Entspannungszustand in unserer eigenen Haut. Und für diese Kongruenz sind Ressourcen, ihr wisst schon, unabdingbar.

Ressourcen als Hilfe zur Entfaltung

Ressourcen sind in aller Munde. Das Wort wird in verschiedenen Bereichen gebraucht, im Bereich VWL bedeutet es Arbeit oder Kapital, im Bereich BWL wird zwischen finanziellen und humanen Ressourcen unterschieden. In der Ökologie ist es Nahrung, Energie und Raum. In der Psychologie sind es Potentiale, Kompetenzen, Handlungsmöglichkeiten, Fähigkeiten, positive Erinnerungen, Fertigkeiten, Wissen, Einstellungen, Erfahrungen, Neigungen und Stärken.

Es sind also Quellen, welche ein Mensch braucht, um Probleme zu lösen, Zielen näher zu kommen oder um mit alltäglichen Schwierigkeiten besser zurecht zu kommen. Mit Ressourcen schaffen Menschen sich einen Möglichkeitsspielraum, in dem sie mit unangenehmen Stimuli umgehen können. Es ist letztlich alles, was von einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation wertgeschätzt wird oder als hilfreich erlebt wird (Nestmann, 1996).

Nach Aaron Antonovsky (1997) stellen Ressourcen eine wichtige Komponente in seinem Modell der Salutogenese dar, um stressigen Anforderungen zu begegnen. Antonovsky schreibt weiter, dass der Mensch ein hohes Ausmaß an Handhabbarkeit (=Ressourcenaktivierung) erlebt, welcher sich durch widrige Situationen nicht in die Opferrolle gedrängt fühlt, sondern diese als Herausforderung sieht und lernt damit umzugehen.

Zum Abschluss

Wenn du magst, stelle dir doch mal die Frage, welche Fertigkeiten du bereits in deinem Leben entwickelt hast? Fertigkeiten, mit denen du gewisse Ziele erreicht hast? Fertigkeiten, die dir ein Gefühl von Verbindung gaben? Fertigkeiten, die es dir leichter machten, in einem dunklen Tunnel wieder ein Licht zu sehen?

Zum Weiterlesen

Hier findest du einige meiner Artikel, in denen ich speziell über Ressourcen schreibe.

Soziale Interaktionen stellen Ressourcen dar. Es konnte in Untersuchungen ein Zusammenhang zwischen einem höheren vagalen Tonus und Wohlbefinden bzw. dem Wahrnehmen positiver Emotionen gefunden werden. Mehr dazu hier: Soziale Interaktionen für ein gesundes Herz

Eine andere Perspektive einnehmen zu können, stellt eine kognitive Ressource dar. Ich nenne es, ich wechsle mal die Brille. Vielleicht die Brille, welche mit einer Gestalterhaltung anstatt einer Opferhaltung einhergeht. Mehr dazu hier: Gestalterhaltung

Was hat Feldenkrais mit Neuroplastizität und Neugierde zu tun? Ist Neugierde eventuell eine Ressource? Für mich ist die Antwort eindeutig: Ja (subjektiv natürlich). Lese dazu gerne hier mehr: Neugierde als Ressource

Bist du ein Bewegungstier? Ja? Das freut mich, denn Bewegung stellt nicht nur für mich eine wunderbare Ressource dar, nicht nur um Stress abzubauen, besser mit Schmerz umzugehen, sondern auch um Glück zu empfinden. Interessiert, dann geht es hier weiter: Macht Bewegung glücklich?

Wie kannst du von einem Stresszustand schnell in einen Entspannungszustand wechseln? Gähnen wäre eine Antwort auf diese Frage. Gähnen hat viele verschiedene positive Eigenschaften, eine wahrhaftige Ressource. Klicke hier für mehr: Gähn doch mal

Manchmal ist das Geld knapp. Doch das macht gar nichts. Denn die Natur kostet nichts. Ein Spaziergang, ein Blick aus dem Fenster und siehe da. Was ist dort: Natur! Natur ist wirklich eine tolle Ressource. Für mehr, einfach hier weiterlesen: Natur als ästhetische Ressource

Wenn Dir mal wieder langweilig ist, gönne Dir eine Pause und lese ein wenig. Zum Beispiel diesen Artikel über Langeweile: Langeweile als Ressource

Was natürlich nicht fehlen darf, ist die tiefe Hocke. Hier wird nicht nur Mobilität, Koordination und Kraft trainiert. Die tiefe Hocke hilft bei der Verdauung, bei Rückenleiden und noch vieles mehr. Mehr kannst du hier lesen: Die tiefe Hocke

Literatur:

  • Antonovsky, Aaron (1997). Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Tübingen: DGVT-Verlag
  • Heller, Laurence & LaPierre Aline (2012). Healing Developmental Trauma: How Early Trauma Affects Self-Regulation, Self-Image, and the Capacity for Relationship. Berkeley: North Atlantic Books
  • Nestmann, Frank (1996). Psychosoziale Beratung – ein ressourcentheoretischer Entwurf. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis. 28(3), S. 359–376. ISSN 0721-7234
  • Rogers, Carl (1995). A way of being. Boston: Mariner Books
  • Walch, Sylvester (2011). Vom Ego zum Selbst. Grundlagen eines spirituellen Menschenbildes. München: Barth
  • Yalom, Irvin D. (2003). Was Hemingway von Freud hätte lernen können: Das große Yalom - Lesebuch. München: Btb Verlag

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