“Wen einer keine Angst hat, hat er keine Phantasie.” Erich Kästner

Angst ist ein normales Gefühl und gehört zum Leben. Hat ein Mensch Angst, ist er wachsamer, mobilisiert seine Kräfte, schützt sich. Wenn die Angst nachlässt, kommt der Mensch zur Ruhe, Stresshormone klingen wieder ab. Stell dir doch mal vor, du schläfst nachts und plötzlich aus dem Nichts hörst du etwas, ein Geräusch an der Balkontür. Der Balkon ist gut zu erreichen, zu Fuß, für jedermann. Was tust du? Im Bett liegen bleiben oder aufstehen und nachsehen? Zum Aufstehen und Nachsehen braucht es Mut, den Gegenpol der Angst. Vielleicht braucht es anfangs viel Mut, wenn diese Situation noch nie vorher eingeübt wurde. So schreiben Psota & Horowitz, “Mut kann nur jemand haben, der die Angst kennt und versucht, sie zu überwinden” (2018).

Heute zählen Angststörungen zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Wo verläuft eine Grenze zwischen pathologisch und normaler Angst? Die Frage ist sicherlich nicht leicht zu beantworten. Jetzt könnte jemand den ICD hernehmen, um nachzusehen. Treffen bestimmte Kriterien zu oder nicht und wenn ja, für welche Angststörung denn im genauen. Das ist nicht das Thema hier. Wenn Mut den Gegenpol darstellt, so befindet sich Angst am anderen Ende des Kontinuums. Beides hat seine Berechtigung. Berechtigung, den Möglichkeitsspielraum wieder zu erweitern.

Der Möglichkeitsspielraum

Nach Wilhelm Schmid (2016) hat Angst viel mit Enge zu tun, eine Erfahrung, die den Möglichkeitsspielraum einengt, die Wirklichkeit sozusagen reduziert hin zu einem Tunnelblick. Dieser Tunnelblick kann einschnüren aber auch einen Impuls setzen, das Leben zu erschließen. Angst deutet auch darauf hin, was einem Menschen wichtig ist. Dies kann dann dazu führen, sich diesem Thema zu widmen. “Angst kann das Tor zum Leben sein” (Schmid, 2016, S. 268). Oder auch das Tor zum Gegenüber.

Angst und Sprache

Seine:n Partner:in kennen lernen. Wie soll das gehen? Die Sprache des Gegenübers kennen lernen, dessen Welt kennen lernen. Die Sprache muss nicht notwendigerweise auf das gesprochene Wort beschränkt sein. Gerade alles was darüber hinausgeht scheint mir die viel wichtigere Sprache zu sein, da stellt das gesprochene Wort nur einen kleinen Teil dar, wenn auch keinen unwichtigen. Wichtig allein schon deswegen, um eine gewisse Kongruenz von gesprochenen Wort und Körper zu sehen. Stimmt das was meine Partnerin sagt wirklich mit Ihrer Körpersprache überein? Wenn nicht, was lerne ich daraus für mich? Ist es die Angst meiner Partnerin, oder Wut. Ist es etwas was in ihr die Ursache hat aber durch mich ausgelöst wird? So frage ich mich, wie kann ich meine Sprache zu Ihr ändern, um dieses Gefühl nicht mehr auszulösen? Genau das gegenteilige Gefühl auslösen? Dies hat sehr viel mit Sprache zu tun für mich. Und manchmal braucht ein Mensch Hilfe von außen.

Der helfende Mediator

Manchmal läuft diese Sprache über einen Mediator, welcher eine ganz andere Sprache spricht. Diese Sprache läuft primär darüber, präsent zu sein und mit Gefühlen und einfühlsamen Berührungen zu kommunizieren. Manchmal ist der Mediator auch ein Pferd. Ein ganz besonderer Mediator, der Menschen einander näher bringt. 

Ich konnte es damals (damals ist schon ca. 10 Jahre her) noch nicht ganz komplett und klar in Worte fassen, doch an diesem Tag passierte etwas in mir. Es war wie ein Schalter, der umgelegt wurde und in dieser neuen Position nun verweilt. Dieser Schalter brachte mich meinem Gegenüber näher. Die Kommunikation änderte sich, die verbale, sie wurde weicher. Auch die andere Kommunikation, die gestische, die körperlich verspielte und körperlich verbindende Kommunikation veränderte sich. Wie hat das Pferd dies nun gemacht? Ganz einfach. Das Pferd war einfach nur ein Pferd und voll da, voll im Moment, voll in der Präsenz. Wir gingen spazieren und atmeten zusammen. Wir betrachteten den Wald. Je nachdem, welche Emotion gerade im Vordergrund war, das Pferd spiegelte diese. Eine sehr hilfreiche Spiegelung. Machmal ist es nicht der See, oder ein Spiegel, sondern ein Pferd, dass spiegelt. Dieser Mediator, in diesem Fall ein Pferd, das auch wirklich existierte und immer noch existiert, kann auch der innere Coach, die zweite Seele sein.

Dieser Mediator half, die Angst als Ressource zu sehen. Eine Ressource, welche Menschen verbindet, welche Enge wieder weit werden lässt, welche wie ein Licht am Ende des Tunnels wirkt. Ein toller Mediator!

Literatur:

  • Psota, Georg & Horowitz, Michael (2018). Angst. Erkennen - Verstehen - Überwinden. Salzburg: Residenz Verlag
  • Schmid, Wilhelm (2016). Das Leben verstehen. Von den Erfahrungen eines philosophischen Seelsorgers. Berlin: Suhrkamp

Bilder: