Ach! Was soll ich sagen? It´s awesome!!! Ich mag Kelly McGonigal. Vieles von dem, was sie untersucht und worüber sie schreibt geht mit mir in tiefe Resonanz. Ich denke gerade wieder an meine Philosophie: BMB (breathe - move - believe). Leben ist für mich Bewegung. Ohne Bewegung ist Leben schwer vorstellbar. Das habe ich von Moshé Feldenkrais übernommen. Atmen ist für mich Verbindung, ist für mich Präsent-Sein, ist für mich bei mir bleiben. Glauben ist für mich Lieben, Hoffen, Vertrauen und so vieles mehr und all das geht mir um so viel leichter von der Hand, wenn ich atme und mich regelmäßig bewege. Es wirkt stressreduzierend, aber es bedeutet auch Stress, allerdings sprechen wir dann von einem anderen Stress.

Stress bedeutet, das mir etwas wichtig ist (McGonigal, 2016). Was mir wichtig ist, braucht Selbstkontrolle, um am Ball zu bleiben. Selbstkontrolle steuert Impulse, Emotionen und Versuchungen. Das sagte Kelly (McGonigal, 2012). Ich würde das Wort Kontrolle mit Regulation austauschen. Für mich persönlich hat dies weniger “Impact”, weniger negative Ladung. Für mich hat es mehr Freiheit, denn im Bereich der Freiheit erwachsen wunderbare Dinge, unter anderem Grünlilien. Davon wimmelt es in meiner Wohnung. But, back to the topic!

YOU GET WHAT YOU BELIEVE, d.h. wenn ich glaube Stress macht mich krank, dann macht mich Stress krank. Wenn ich da nicht dran glaube, dann fördert mich Stress. Der Satz könnte 1zu1 von Marshall Rosenberg (Rosenberg, 2005), dem Gründer von Gewaltfreier Kommunikation, kommen. Was wir glauben wird Realität, zu einem gewissen Grad. Damit geht das Stressparadox einher, d.h. ein glückliches Leben und ein stressvolles Leben gehören zusammen, wie zwei Seiten einer Medaille. Ein langweiliges Leben trägt viel mehr zu einem unglücklichen Leben bei. Wir stressen uns manchmal auch für etwas rein, weil wir einen Sinn darin sehen, d.h. wenn mir etwas wichtig ist, stresst es auch mehr, als wenn es mir nicht wichtig wäre. Das bedeutet für mich: wichtig = Sinn im Leben = herausfordernd = stressiger. 

Was mache ich jetzt mit der Ambivalenz von Stress? Es kommt darauf an, wie ich damit umgehe. Sprachlich sozusagen. STRESS —> ENERGY —> PERFORMANCE, d.h. vor einem Vortrag, hilft der Satz “I am excited” (= ich bin begeistert) mehr als der Satz “I am calm” (= ich bin ruhig). Dazu wurde ein Studie durchgeführt. Die erste Gruppe wurde als zuversichtlicher, kompetenter wahrgenommen (McGonigal, 2012). Die Lösung liegt also im Mindset. Wir wollen mal das Mindset differenzieren. Das Mindset besteht in anderen Worten aus Glaubenssätzen. Glaubenssätze auch über Stress. Davon gibt es zwei:

MINDSET 1: STRESS IS HARMFUL  = bedeutet so viel wie gefährlichMINDSET 2: STRESS IS ENHANCING = bedeutet so viel wie verstärkend im positiven Sinne
Wenn ich Stress erfahre, hat die Auswirkungen auf meine Gesundheit und Vitalität. Er verschlechtert meine Leistung und Produktivität. Er schränkt mein Lernvermögen und mein Wachstum ein. Die Effekte von Stress sind negativ und sollten auf jeden Fall vermieden werden.Wenn ich Stress erfahre, verstärkt dieser meine Leistung und Produktivität. Er verbessert meine Gesundheit und Vitalität. Er unterstützt mein Lernvermögen und mein Wachstum. Die Effekte von Stress sind hier positiv und sollten bzw. können daher genutzt werden.

Und nun? Wie geht’s weiter. Es folgen zwei Schritte: Als erstes erkenne ich den Stress an. Im zweiten Schritt nehme ich wahr, was er in mir auslöst. Was ist das Positive dahinter? Stress ist in diesem Fall ein Barometer, was mir wichtig ist. Und wieder wäre ich bei Rosenberg mit gewaltfreier Kommunikation. Hinter jedem Gefühl steht ein Bedürfnis (Rosenberg, 2005). Ein Bedürfnis kann auch ein Wert, eine Einstellung sein. Stress hilft mir also dabei, mir selbst auf die Schliche zu kommen. Toll oder? Und da wären wir noch nicht fertig. Will ich jetzt Stress oder will ich ihn nicht? Er ist ja irgendwie unausweichlich, oder? Und ich leite über zur Willenskraft und wie mir die dabei hilft? Bei was? Weniger Stress zu haben, oder ein erfüllteres Leben zu leben? Gute Frage, schauen wir mal.

Was hat das jetzt alles, bzw. das was hier geschrieben steht, mit Willenskraft zu tun? Teilen wir das ganze mal in wenigen Schritten auf:

Schritt 1: Gewahr-Sein von Willenskraft, d.h. ich werde mir bewusst, was ich tue, wie ich es tue und warum ich es tue. Ich fokussiere mich auf EIN Ziel. Und ich gönne mir Pausen zur Reflexion, um mir diesem Ziel klarer zu werden.

Schritt 2: Willenskraft ist wie ein Muskel, d.h. je öfter ich diesen trainiere, desto besser wird er. Das hat auch mit einem Glaubenssatz zu tun; Glaube ich nämlich, dass mir die Energie ausgeht, so geht mir die Energie aus. Wenn du magst, lese gerne folgenden Artikel dazu: Willenskraft – Fluch oder Segen?

Schritt 3: Die Zukunft ist das, was ich jetzt tue. Tue ich jetzt etwas nicht, so ist dies eine Entscheidung, die sich auf meine Zukunft auswirkt. Zudem ist die Vergangenheit keine Entschuldigung dafür, wie es mir jetzt geht.

Schritt 4: Es ist gut, sich mit Leuten zu umgeben, die eine gute Selbstkontrolle haben, denn dies steckt an.

Schritt 5: Je mehr wir etwas unterdrücken, z.B. nicht mehr zu rauchen, nicht mehr an eine Person zu denken, nicht mehr meckern, kein Alkohol mehr trinken, desto mehr tun wir es. Die Lösung wäre, es nicht zu unterdrücken, sondern den Gedanken denken, jedoch auch wissen, dass ich diesen nicht in die Tat umsetzen muss, d.h. rauchen oder meckern oder an eine Person denken, oder oder oder.

Die Willenskraft hat drei Aspekte laut Kelly (McGonigal, 2012), bzw. ich habe drei Perspektiven, mit denen ich etwas beleuchten kann, mit den ich verschiedene Standpunkte einnehme:

1) I will not do (z.B. Rauchen, Meckern, etc.) - d.h. im besten Fall jeden Tag, aber dass muss anfangs auch nicht so sein.
2) I will do (z.B. mich sportlich betätigen, etc.) - d.h. jeden Tag, moderat, wir wollen ja mal nicht übertreiben 😉
3) I want (ein bedeutsames Leben, anderen helfen, mein Potential leben, etc.) - d.h. die “want-power" kommt genau dann ins Spiel, wenn “will-power" niedrig ist.

Was ist dabei wichtig? GANZ WICHTIG!!! Ziele setzen: je spezifischer desto besser. Und zwar nur ein Ziel, nicht viele, denn viele blockieren sich dann gegenseitig.

Und jetzt verbinden wir noch das Wissen von Stress mit dem Wissen über Willenskraft und dem Wissen über Bewegung. Menschen, die physisch aktiv sind, sind glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben, egal ob sie Joggen gehen, Schwimmen, einem Sport nachgehen, Gewichte heben oder Yoga praktizieren. Die Aktivitäten aktivieren in den Akteuren Dankbarkeit, Liebe und Hoffnung (McGonigal, 2021). Sie fühlen sich verbundener mit anderen Leuten, sind weniger einsam und leiden weniger an Depressionen. Und gerade die Verbundenheit ist ein Dreh- und Angelpunkt für das Erleben von Sicherheit und somit auch das Erleben von Wohlbefinden durch das Erleben von Sicherheit (Dana, 2018). Die Ursache für weniger Depression, sowie anderen klinischen Störungen, liegt in den antientzündlichen Effekten von physischer Aktivität im Gehirn. Diese Effekte scheinen kulturübergreifend zu sein und finden sich in jedem sozioökonomischen Milieu. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der folgende: Physische Aktivität hängt kein bisschen an Fähigkeiten oder dem Gesundheitsstatus, sowie psychischen Krankheiten. In anderen Worten: Auch mit einem Bein kann ich auf einem Bein stehen, logisch oder. Weiter im Text. Ach ja, wenn du mehr über “auf einem Bein stehen” lesen möchtest, klicke gerne hier: Polyvagales Feldenkrais für eine starke Mitte.

Während der physischen Aktivität gibt die Muskulatur Hormone, welche die Wissenschaftler Hoffnungs-Moleküle nennen, in den Blutkreislauf ab. Unsere ganze Person, unser ganzes physisches Dasein ist für Bewegung gemacht. Und hierbei handelt es sich keineswegs um die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was auch seine Berechtigung hat, sondern alleinig darum, wie wir mit dem Leben in Interaktion treten. Laut Daniel Mark Wolpert liegt der wahre Grund, warum wir Gehirne haben, in der Bewegung. Es gibt übrigens dazu einen super TED-Talk. Mehr zu diesem Thema findest du hier: Wozu ein Gehirn?. Diese Partizipation im Leben wird belohnt. Unsere Muskeln, unser Körper dankt es uns in Form von Hoffnung, in Form von Glücksgefühlen, in Form von Bedeutung im Leben, in Form von Energie. 

Das Credo läuft ungefähr so. Ich bewege mich. Jetzt könnte man denken, das braucht doch Energie. Ja, aber es entsteht noch mehr daraus. Ich bewege mich, bekomme mehr Energie, mehr Energie in Form von Hoffnung, in Form von Glücksgefühlen. Das Gegenteil wäre ein sitzendes Leben, ein bewegungsloses Leben. Hier sind Depressionen vorprogrammiert, neben Ängsten, Müdigkeit und Feindseligkeit und noch vielen weiteren Unsinnigkeiten sowie Unstimmigkeiten. Mehr zum Thema, ob Bewegung glücklich macht, findest du hier: Macht Bewegung glücklich?

Und es kommt noch besser. Es muss nicht mal Joggen, Gewichte heben oder Schwimmen sein. Es darf auch Tanzen sein, auf dem Bürgersteig herumspringen mit anderen oder zusammen auf eine Demo gehen um demonstrierend durch die Stadt zu laufen. Die Demo sollte nicht im Sitzen stattfinden! Emile Durkheim nannte das kollektives Überschäumen bzw. Sprudeln. Was er damit meint ist die Verbindung, die wir mit anderen spüren. Das erklärt warum sich Turnpartner, Teammitglieder oder Sportskollegen wie Familie anfühlen. Es stiftet Solidarität. Wir wollen mit anderen kooperieren, mit anderen sein, um zu überleben, um das Überleben schöner zu gestalten. Dadurch entsteht Vertrauen. Vertrauen durch Eingebundensein. 

Der letzte, aber unglaublich wichtige Punkt liegt darin, das Menschen sich Geschichten erzählen. Geschichten verbinden. Es sind Geschichten über Hindernisse, die genommen wurden, über Hilfe, nach der wir griffen, über Resilienz, die zusammen entstand. Körperliche Meisterleistungen erschaffen bzw. schaffen geistige Meisterleistungen, d.h. körperliches ändert geistiges, also wie wir denken. Kelly hat dazu ein Mantra.

OMMS = Obstacles make us stronger.

Das größte Hindernis im Leben ist jenes, in dem wir uns selbst erzählen, etwas nicht zu können, nicht zu schaffen, nicht die Fähigkeit zu besitzen. In anderen Worten, werfe die Kloschüssel endlich aus der Wohnung und gehe in die tiefe Hocke um zu… 🙂

Literatur:

  • Dana, Deb (2018). The Polyvagal Theory in Therapy. Engaging the rhythm of regulation. New York: W. W. Norton & Company, Inc.
  • McGonigal, Kelly (2021). The Joy of Movement: How Exercise Helps Us Find Happiness, Hope, Connection, and Courage. New York: Avery
  • McGonigal, Kelly (2016). The Upside of Stress: Why Stress Is Good for You, and How to Get Good at It. New York: Avery
  • McGonigal, Kelly (2012). The Willpower Instinct: How Self-Control Works, Why It Matters, and What You Can Do to Get More of It. New York: Avery
  • Rosenberg, Marshall B. (2005). Nonviolent Communication: A language of life. Nonviolent Communication Guide. Encinitas: Puddle Dancer Press

Bilder: