Vor längeren stieß ich auf ein interessantes Buch von Patricia S. Churchland (2013), eine kanadische Philosophin. Es brachte mich zum Nachdenken über Gewohnheiten. Sie schreibt in ihrem Buch, dass der Vorteil kultureller Normen darin liegt, Unsicherheiten zu reduzieren. Normen geben an, was jeder zu tun hat. Wir müssen es nicht erst herausfinden. Diese Normen ermöglichen uns eine gewisse Vorhersage zukünftiger Handlungen. Immer neue Situationen, bzw. Handlungen verlangen eine enorme Konzentration, was mit einer enormen Menge an Energieaufwand verbunden ist. Je größer der Grad an lebensrelevanten Neuigkeiten, desto größer die dafür aufgebrachte Energie. Da Gehirne, laut Frau Churchland, Vorhersehbarkeit lieben, lernen diese Gehirne, also wir, soziale Normen und Praktiken.

Vorteil kultureller Normen und Gewohnheiten

Kulturelle Normen sind bzw. können somit von großen Vorteil sein. So ist dies auch mit Gewohnheiten. Was ist eigentlich eine Gewohnheit? Eine Gewohnheit ist ein Verhaltensmuster, welche automatisch als Antwort in einer Situation folgt (Lally & Gardner, 2013). Dies war auch schon in der Vergangenheit so. Deshalb nimmt die Stärke einer Gewohnheit zu, wenn diese immer wieder einem konsistenten Kontext folgt. Als Beispiele lassen sich hier verschiedene Dinge anführen. Zum einen die Gewichtsreduzierung, welche eine gewisse Diät über einen längeren Zeitraum beinhaltet, was dann schließlich in einer Reduzierung des Gewichtes resultiert. Zum anderen gibt es Tätigkeiten, wie das Schneiden von Brot oder das Putzen der Zähne mit der nichtgewohnten Hand. Hat ein Mensch dies vorher noch nie getan, so wird es einiges an Zeit und Mühe brauchen, bis diese Tätigkeit in Fleisch und Blut übergeht. Beim zweiten Beispiel sprechen wir von einem Bewegungsmuster. Beim ersten Beispiel sprechen wir von einer Einstellung, mehrere Änderungen im Leben vorzunehmen, welche auch zur Gewohnheit geworden ist.

Die vier Kriterien eine Gewohnheit zu schaffen

Hiermit sei eine Einstellung angesprochen, also gleich mehrere Dinge im Leben zu ändern, um die Einstellung zu ändern und gleichzeitig sei ein Bewegungsmuster angesprochen. Viele Bewegungsmuster ergeben eine Einstellung. Feldenkrais, als die Methode der Wahrnehmung von kleinsten Unterschieden, geht den zweiten Weg, als den Weg der Veränderung von Bewegungsmustern. Nun zu den Kriterien:

  1. Wir dürfen uns für etwas/ eine Aktivität entscheiden
  2. Die Entscheidung darf in die Tat umgesetzt werden
  3. Die Tat darf wiederholt werden
  4. Durch die Wiederholung darf einer gewisser Automatismus hergestellt werden

Feldenkrais über Gewohnheiten

Was passiert jedoch in der Zeit, bis diese Gewohnheit geschaffen worden ist und wir auch ein sichtbares Ergebnis erhalten? Feldenkrais sagte einst, das wir unser Training zu einer Gewohnheit machen sollen. Nehmen wir mal an, eine Person leidet an chronischen Rückenschmerzen, klagt jeden Tag über eine gewisse Morgensteifigkeit, hat Schwierigkeiten gewisse Tätigkeiten, wie z.B. das Bücken oder Strecken mit Leichtigkeit auszuführen. Das Leben dieser Person ist hauptsächlich in sitzender Haltung organisiert. Das Frühstück wird im Sitzen zu sich genommen, in der U-Bahn auf den Weg zur Arbeit wird gesessen, in der Arbeit ebenso, auf den Weg nach Hause wieder und zu Hause beim Abendbrot wird wieder gesessen. Schließlich wird sich auf der Couch entspannt bis es letzten Endes zu Bette geht. Der nächste Tag kommt und es wiederholt sich, Tag aus Tag ein. Das mag ja gut gehen, bis der magische Tag kommt, der Tag an dem sich der Körper meldet mit Verspannungen oder Schmerz. Was nun? Wenn diese Person nichts ändert, wird sich höchstwahrscheinlich nichts ändern.

Es bedarf eines Plans

Deswegen darf sich diese Person für eine Änderung in Form einer Aktivität entscheiden. Dafür braucht sie einen Plan. Es darf zuerst herausgefunden werden, was genau die Problematik ist. Ist es ein verkürzter Muskel oder mehrere verkürzte Muskeln? Ist es die Bewegung an sich, welche verbessert werden muss? Der Plan dient dazu festzulegen, was “jeden” Tag getan werden darf. Jeden Tag putzen wir unsere Zähne. Jeden Tag können wir ein paar Minuten für unsere Gesundheit aufwenden. Gesundheit und Wohlbefinden wäre für die genannte Person die Abwesenheit von Schmerz und Verspannungen.

Belohnung und Motivation

Diese Abwesenheit von Schmerz und Verspannung wäre gleichzeitig eine Art Belohnung. Die Person wäre jetzt zufriedener. Der Antrieb kam hierbei von innen heraus. Das bedeutet, das die Zufriedenheit im eigenen Körper die Belohnung darstellt. Eine Belohnung, welche von außen kommt, könnte Geld, ein Auto, etc. sein. Wenn die Belohnung von außen kommt, nennt sich dies extrinsisch. Kommt die Belohnung von innen, nennt sich dies intrinsisch. Dies hat mit der Motivation zu tun. Mit dieser Motivation steht und fällt das ganze Gebäude. Denn ohne Motivation, kein Antrieb. In der Psychologie ist bekannt, das intrinsische Motivation, also die Belohnung die von innen heraus kommt, nachhaltiger ist (Deci & Ryan, 1985).

Überwachung ist hilfreich

Es bedarf der Überwachung bei der immer wiederkehrenden Aktivität. Von Tag zu Tag, von Woche zu Woche werden gewisse Bewegungen überprüft, ob diese schon möglich sind, bzw. es wird der allgemeine Verspannungszustand immer wieder unter die Lupe genommen. Denn der beste Plan nützt nichts, wenn wir uns nicht regelmäßig überprüfen, ob irgendeine Verbesserung eingetreten ist. Diese Überwachung findet extern statt, d.h. die Aufmerksamkeit wird auf ein angestrebtes Ziel hin gerichtet und die Rückkopplungen werden immer wieder überprüft und feingestellt (Wulf, Chiviacowsky & Drews, 2015).

Konsistenz und Kontextkonstanz

Verbesserung tritt meist dann ein, wenn zwei Konstanten vorhanden sind. Diese nennen sich Konsistenz und Kontextkonstanz. Konsistenz ist nicht gleich rigide Wiederholung, sondern eher ein Erforschen des Bewegungsablaufes, am Beispiel der chronischen Rückenschmerzen. Ich lerne konsistent, welche Bewegungen mir gut tun und welche Bewegungen Schmerzen produzieren. Ich erweitere konsistent meinen Bewegungsspielraum in Rahmen des Angenehmen. Dabei hilft es mir natürlich den Kontext konstant zu halten. D.h. Ich führe ein gewisses Bewegungsmuster immer wieder durch, wenn möglich in einem gleichen Kontext, in gleichem Umfeld, gleiche Temperatur, gleiche Tagesuhrzeit, gleicher Raum, unter sehr ähnlichen Bedingungen eben. Und dann, wenn ich für eine gewisse Zeit an dem Muster gefeilt habe, erweitere ich den Kontext und bewege mich hin zu neuen Ufern.

Fazit

Ich versuche es mal mit einem Bild. Kulturelle Normen können als Rahmung verstanden werden, wie ein Rahmen von einem Bild. Das Bild innerhalb des Rahmens stellt die Ansammlung von Gewohnheiten dar. Diese Gewohnheiten zu ändern bedarf eines Plans. Dieser Plan ist dann zuträglich, wenn die Motivation von innen heraus kommt und wenn wir Rückmeldung von Außen bekommen, ob wir unseren Ziel näher kommen. Das eigentliche Ziel stellt für mich die Verbindung zu mir selbst dar. Verbindung zu mir, zu meinem Leben, zur Welt.

Es sind die magischen Minuten, die wir täglich in unser Wohl investieren. Je länger wir dies tun, desto mehr ernten wir in ferner Zukunft. Viel Spaß beim Zähneputzen mit der nichtgewohnten Hand.

Literatur:

  • Churchland, Patricia S. (2013). Touching a nerve. New York City: W.W. Norton & Company
  • Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic motivation and self-determination in human behavior. New York: Plenum.
  • Lally, Phillippa & Gardner, Benjamin (2013). Promoting habit formation, Health Psychology Review, 7:sup1, S137-S158, DOI: 10.1080/17437199.2011.603640
  • Wulf, G.; Chiviacowsky, S. & Drews, R. (2015). External focus and autonomy support: two important factors in motor learning have additive benefits. Hum. Mov. Sci. 40:176–84

Bilder:

  • Foto von Superkitina (Unsplash)