Ok, du liegst am Boden, auf deiner Feldenkrais Matte und machst eine Feldenkrais Lektion. Vielleicht machst du auch nur einen Teil dieser Lektion. Vollkommen egal. Du stellst dir die Frage, wie bekomme ich das jetzt in den Alltag integriert. Die Frage zielt nicht darauf ab, wann du Zeit hast, die Lektion zu machen, morgens, abends, etc., sondern, sie zielt darauf ab, wann zeigt sich etwas im Alltag, wann zeigen sich die Dinge, die du da in dieser Lektion gemacht hast. Gute Frage, oder? Mir wird diese Frage immer wieder gestellt. Ich zähle mittlerweile nicht mehr mit, sondern antworte, bzw. versuche zu antworten. Hier eine mögliche Antwort. Mit Hier meine ich diesen Artikel.

Reduktion ist Simplifikation der Komplexität
zur Ermöglichung der Exploration des Essentiellen

Diesen Spruch habe ich mir vor langer langer langer Zeit ausgedacht. Na ja, so ganz stimmt das nicht. Er ist entstanden, während ich Feldenkrais machte. Benedikt Weibel (2017) geht in seinem Buch, Kapitel 3 “surreal und schön” auf Benoît B. Mandelbrot, einen französich-amerikanischen Mathematiker ein. Mandelbrot ist bekannt für seine fraktale Geometrie. Bei dieser fraktalen Geometrie geht es um Selbstähnlichkeit, d.h. ein immer wiederkehrendes Muster, welches in sich selbst verschachtelt ist. Wenn du sehen möchtest, wie solche Muster aussehen, gebe einfach bei Google “Mandelbrot Muster” ein, dann siehst du es. Das Titelbild gibt dir auch einen Eindruck von einem Mandelbrot Muster. 

Diese Muster haben immer die gleiche Struktur, egal wie groß oder wie klein sie sind. Diese Muster lassen sich auf vieles übertragen, z.B. Natur, künstlerische Objekte, etc. Mandelbrot kam zu dem Ergebnis, Komplexität, welche sehr überwältigend sein kann auf ein einziges Grundprinzip zu reduzieren, eine mathematische Formel. Hier schreibe ich nicht über Mathematik und auch nicht über diese Formel, sondern die Schönheit dieser Formel, wie selbst Mandelbrot sagt. Diese liegt in der Verbindung von Skalierung, Iteration und Dimension.

Was bedeuten diese drei Begriffe nun?

  • Skalierung lässt sich als eine Anpassung verstehen. Die Maßstäbe verändern sich dabei, größer, kleiner. In anderen Worten: Ich mache etwas größer oder kleiner, betrachte es in einem größeren oder kleineren Rahmen, gehe näher ran oder weiter weg. Das Muster bleibt gleich.
  • Iteration bedeutet ganz einfach Wiederholung. Schaue dir noch mal das Titelbild an. Es wiederholt sich. Das Kleine findet sich im Großen wieder. Iteration hat auch mit Entwicklung zu tun. Dazu gleich mehr.
  • Für die Dimension nehme ich ganz einfach das Bild eines Würfels. Die Verbindung von der unteren linken Ecke zur unteren rechten Ecke ist eine Linie, somit die erste Dimension. Die zweite Dimension wäre die Fläche, das Viereck, welches dich ansieht. Der Würfel an sich ist dreidimensional. Die vierte Dimension wäre die Zeit. Diese drei Dimensionen des Raums und die vierte der Zeit sind von Menschen wahrnehmbar.

Wenden wir das jetzt mal auf Feldenkrais an.

Nehmen wir mal an du liegst auf dem Boden und machst eine Feldenkrais Lektion, welche auch immer. Du nimmst ein komplexes Bewegungsmuster und studierst die einzelnen Elemente, d.h. ein Element ist natürlich kleiner als das komplette Bewegungsmuster. Du untersuchst dieses Element. Dafür machst du die Bewegungen klein und langsam. Warum? Je kleiner und je langsamer, desto besser kannst du Unterschiede wahrnehmen. Was wir hier suchen sind Unterschiede die den entscheidenden Unterschied machen. Was wir machen könnte man auch Skalierung nennen. Wir machen etwas sehr klein. Das wäre die Skalierung.

Jetzt kommt die Iteration. Wir wiederholen diese Bewegung, dieses Element. Da Wiederholung nicht ganz passt, nennen wir es Exploration, d.h. wir erforschen dieses Element. Hier kommt der berühmte Zen Geist - Anfänger Geist ins Spiel. Shunryu Suzuki (1983) lädt dazu ein, alle Erfahrungen als neu zu betrachten. Alles ist lebendig und alles Lebendige ist ständig im Fluss der Veränderung. Nichts kommt genau so wieder. Wiederholungen bestehen nur im Kopf. Sie grenzen an zwanghaftes Denken. Das bedeutet, dass du dich bei jedem Mal von Neuem darauf einlasst, diese Bewegung auszuführen.

Nun zur Dimension. Natürlich machen wir eine Bewegung. Diese Bewegung findet im dreidimensionalen Raum statt. Dieser Raum besteht aus drei Ebenen und drei Achsen. Wir untersuchen Bewegung in diesem Raum. Das Spannende ist allerdings die vierte Dimension, also das Vorher und das Nachher, bzw. das Vorspüren und das Nachspüren. Wie bereits gesagt, wir suchen einen Unterschied der den Unterschied macht. Vielleicht ist nach einer Lektion irgendetwas anders.

Wenn Mandelbrot von Schönheit spricht, so sprechen wir von Selbstorganisation und Leichtigkeit. Leichtigkeit aufgrund einer besseren Selbstorganisation. Das war jetzt ein wenig Text. Machen wir das ganze plastisch und zwar richtig, also neuroplastisch, oder eventuell auch europlastisch. Europlastisch ist eine, meine Wortneuschöpfung, d.h. vielleicht geht es dir danach so gut, dass du weniger Geld ausgeben musst für Schmerzmittel, Therapeutenbesuche oder sonstige Hilfsmittel/Geräte, welche dir das Leben leichter machen. Vielleicht schaffst du es dann selbst, dir das Leben leichter zu machen. Das würde ich dir von ganzen Herzen wünschen. Nun zur Lektion. Viel Freude damit! 🙂

Literatur:

  • Suzuki, Shunryu (1983). Zen Mind, Beginnes Mind. Informal Talks on Zen Meditation and Practice. New York: Weatherhill 
  • Weibel, Benedikt (2017). Simplicity - die Kunst, die Komplexität zu reduzieren. Zürich: NZZ Libro

Bilder: