Am 11. September 2017 erschien ein Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Ein Gespräch mit dem Dalai Lama zur inneren Abrüstung. Wir brauchen eine Erziehung des Herzens, gerade in Krisenzeiten, lautet es in der Überschrift. Es scheint gar nicht aufzuhören mit den Krisen, global, lokal aber auch individuell. Wir haben also die Wahl, steht hier geschrieben, wie wir mit unserer Zeit umgehen, konstruktiv oder destruktiv, friedlich oder noch konfliktreicher (Spitz, 2017). Die Lösung kommt über eine positive innere Haltung. Da werde ich zumindest sehr neugierig. Ich frage mich dann, und wie kommt ein Mensch nun dort hin?

Es braucht ein neues Denken

Es braucht neue Perspektiven. “Unglück bedeutet immer, sich gefangen zu fühlen, in der eigenen Haut, im eigenen Gehirn” (Eigene Übersetzung; HH Dalai Lama & Cutler, 1998, S. 153). Wir haben viel investiert über die letzten Jahrhunderte, wissenschaftlich, technologisch, materiell und wir sind sehr weit gekommen. Der Lebensstandard ist heute für viele Menschen viel besser. Die Welt ist besser, als wir vermeinen zu glauben. So schreibt Hans Rosling (2018), datenbasiert und faktenorientiert, dass wir Fortschritte in Bereichen wie Gesundheit, Lebenserwartung, Bildung und Armutsbekämpfung gemacht haben. Wir nehmen dies leider nur nicht so sehr wahr. Warum? Das hat mit der medialen Verbreitung von Negativschlagzeilen zu tun. Diese schlagen regelrecht in unser Gehirn und verzerren somit unsere kognitive Wahrnehmung. Das wäre von außen kommend, also extern. Zudem haben wir auch eine interne negative Verzerrung.

Diese negative Verzerrung ist ein psychologisches Phänomen, bei dem wir negativen Erfahrungen, Informationen oder Reizen mehr Aufmerksamkeit beimessen als positiven. Das hat viel mit der Evolution zu tun, denn sie, die Aufmerksamkeit, sorgt dafür, dass wir überleben, wenn wir Gefahren besser erkennen. Unsere Fortpflanzungschancen werden dadurch natürlich auch besser. Dann wäre da auch noch ein Bereich im Gehirn, die Amygdala, welcher für die emotionale Verarbeitung zuständig ist. Dieser Bereich reagiert stärker auf negative Reize. Und, dieser Bereich ist verdammt schnell. Meist schneller als wir reagieren können. Meist, nicht immer!

Und nun? Das hört sich ja verheerend an. Ich denke, diese innere Haltung hat sehr viel mit dem Gefühl von Sicherheit zu tun. Sicherheit in der eigenen Haut, im eigenen Gehirn. Das wir eine äußere Abrüstung brauchen, ist denke ich zumindest, vielen Menschen klar. Aber wie sieht es mit der inneren Abrüstung aus? Gewalt, also Kampf zwischen Menschen und ganzen Gruppen ist zwar im Außen, doch was passiert da im Innen. Oder anders gefragt, wäre ein Mensch, welcher einen inneren Frieden kultiviert hat, auch willig, Gewalt im Außen anzuwenden? Nicht fähig, sondern willig. Fähig wahrscheinlich schon, doch diese Fähigkeit nicht auszuspielen, also willens sein, dies nicht zu tun, darum geht es.

Es braucht eine neue Bildung

Eine Bildung die auf Herzenswärme ausgelegt ist, nicht auf reinen Wissensaufbau. Eine Bildung die verbindet, nicht trennt. Denn vielleicht ist der Sprung zum Lateinischen “Divide et impera” (Teile und Herrsche) gar nicht so weit, wenn wir weiterhin alles differenzieren und das Ganze aus dem Blick verlieren. Jetzt bin ich kein Feind der Differenzierung. Differenzierung ist eines der sehr wichtigen Punkte der Feldenkrais Arbeit. Doch Integration ist genauso wichtig. Die Feldenkrais Methode kann ein Weg sein, hin zu mehr Verbindung zu sich und zwar durch Differenzierung von schwer und leicht. Kultiviere ich Leichtigkeit, so kultiviere ich auch Weichheit. Weichheit, nicht nur im Körper, sondern auch nach außen, in der Haltung, in dem So-Sein. Das ist möglich aufgrund der Neuroplastizität, denn nichts was ist, muss immerzu so bleiben. Es dürfen sich neue Bahnen im Gehirn bilden, welche neue Wege im Außen darstellen können.

Jetzt steht im Text weiterhin geschrieben: “Wenn wir Kinder früh mit der Bedeutung des Dialogs bekannt machen, können sie im Schulalltag lernen, verschiedene Meinungen zuzulassen und zu diskutieren. So werden sie schrittweise mit der Idee des Dialogs vertraut. Dies ist deshalb so wichtig, weil es in der menschlichen Gesellschaft immer Konflikte und Uneinigkeit geben wird” (Spitz, 2017). Es ist wichtig, ganz klar, der Dialog zwischen den Menschen. Doch auch der Selbstdialog ist wichtig. Wie reden wir mit uns selbst? Machen wir uns Vorwürfe, haben wir überzogene Erwartungen, denken wir schlecht über uns? Mit PEP nach Michael Bohne wäre ein Weg gekennzeichnet hin zur einer Beruhigung der Amygdala und zugleich ein Weg hin zu mehr Verbindung durch Reframing (= Umdeutung) der kognitiven Glaubenssätze. Denn diese können manchmal verheerende Auswirkungen haben. Die Methode PEP schafft es durch eine Umstrukturierung von Glaubenssätzen unter Einbezug des Körpers (wir nennen das Embodiment) ein neues So-Sein zu ermöglichen. Tolles Zeug!

Der Dalai Lama sagt weiterhin, wir Menschen sind alle gleich, egal aus welchem Land, welche Religion, welche Hautfarbe. Und wir sind alle soziale Wesen. Und soziale Wesen möchten sich sicher fühlen. Sobald dies der Fall, sobald sich soziale Wesen, also wir Menschen, uns in einem sozialen Gefüge sicher fühlen, so verringert sich automatisch der Raum für Konflikte. Dieses Sicherheitsgefühl ist aber nicht nur im Außen, sondern auch im Innen. Mit der Polyvagal Theorie haben wir eine Theorie der Verbindung, basierend auf Sicherheit. Sicherheit die wir in uns fühlen. Diese Sicherheit ermöglicht uns ruhig zu werden, Stress besser regulieren zu können und somit auch mehr in der Verbindung mit uns und auch anderen Menschen zu sein. In der Polyvagal Theorie gibt es verschiedenste Übungen und Hilfsmittel, genau dies herzustellen. Was genau? Zum einen flexibler reagieren zu können, also nicht immer Opfer der Amygdala zu sein, und zum anderen ein Gefühl von Sicherheit im Inneren zu kultivieren.

Fazit

Ich denke, es ist sehr vieles da, was helfen kann. Ich habe jetzt nur drei Methoden genannt: Feldenkrais, PEP und die Polyvagal Theorie. Alle drei können helfen. Neben diesen gibt es unzählige weitere. Es gibt viele Wege. Die Frage ist, welchen Weg der einzelne Mensch wählt. Das hat unter auch sehr viel mit dem Gefühl von Sicherheit zu tun, welches dann zu einer inneren Haltung werden darf und mehr zum Weltfrieden beiträgt. Auf eine friedvolle Koexistenz! Auf die innere Abrüstung!

Fühl dich herzlichst umarmt.

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