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Zentrierung als Selbstregulation bei ADHS

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Wenn du ADHS hast, kennst du es vermutlich: Dein Kopf ist oft voller Gedanken, dein Körper voller Energie – und manchmal ist alles zu viel. Gedanken rasen, Reize überfluten dich, Entscheidungen fühlen sich plötzlich schwer an, obwohl sie einfach sein sollten. In solchen Momenten hilft es, wieder zu sich selbst zurückzufinden – ins Hier und Jetzt. Genau dafür gibt es das Konzept der Zentrierung. Es geht darum, sich selbst zu spüren, den Moment bewusst wahrzunehmen und aus dem inneren Chaos auszusteigen. Eine einfache Möglichkeit dafür ist eine kurze Übung aus der PEP-Methode (Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie). Doch auch viele andere therapeutische Richtungen nutzen ähnliche Wege, um Selbstregulation zu fördern. Hier erfährst du, was Zentrierung bedeutet, warum sie so hilfreich ist – und wie du sie nutzen kannst, um mit ADHS besser umzugehen.

Warum berührt man in der PEP-Methode die Finger, um sich zu zentrieren?

In der PEP-Methode von Dr. Michael Bohne gibt es eine Übung, bei der man die Fingerkuppen berührt, d.h. linker Zeigefinger berührt rechten Zeigefinger, linker Daumen den rechten Daumen usw. Das klingt simpel – hat aber eine große Wirkung. Diese Fingerübung bringt dich aus dem Denken ins Spüren. Durch die bewusste Bewegung und leichte Berührung entsteht eine körperliche Rückmeldung: Du spürst dich wieder. Gleichzeitig hilft dir diese Spürübung, dich zu sammeln und den Fokus zu finden. Die Methode wirkt über das sogenannte Embodiment – also die Verbindung zwischen Körper und Psyche. Wer sich körperlich zentriert, kann auch mental klarer werden. Besonders bei innerer Unruhe, impulsiven Anflügen, oder wenn man sich „verzettelt“, kann diese Übung wie ein Anker wirken.

Welche anderen Methoden nutzen ähnliche Übungen – und wie erklären sie das?

Zentrierung ist kein exklusives Konzept der PEP-Methode. Auch in anderen psychologischen und körperorientierten Ansätzen gibt es Übungen mit vergleichbarem Ziel: den Körper zu spüren, sich zu beruhigen und wieder bei sich selbst anzukommen.

In der Achtsamkeitspraxis (z. B. MBSR) geht es darum, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen – zum Beispiel durch Atembeobachtung oder das Spüren der Hände. Das bringt Klarheit und hilft, automatische Reaktionen zu durchbrechen.

In der körpertherapeutischen Methode Somatic Experiencing nach Peter Levine wird gezielt mit Körperwahrnehmung gearbeitet, um das Nervensystem zu regulieren. Auch hier hilft das Spüren der Hände oder des Bodenkontakts, Sicherheit im eigenen Körper zu erleben.

Das Focusing von Eugene Gendlin nutzt ebenfalls die Aufmerksamkeit auf den Körper – insbesondere auf den sogenannten „felt sense“, also das vage Körpergefühl, das mit inneren Themen verbunden ist.

Und in Traditionen wie Yoga oder Qi Gong geht es darum, das „innere Zentrum“ zu spüren – sei es im Herzraum, im Bauch oder im Atem. Auch dort wird über den Körper Zugang zur inneren Ruhe gesucht.

All diese Ansätze zeigen: Unser Körper ist ein Schlüssel zur Selbstregulation. Und einfache, spürbare Übungen können eine direkte Wirkung auf unser Befinden haben.

Was bedeutet Zentrieren eigentlich?

Zentrieren heißt, sich innerlich zu sammeln. Den Fokus auf das eigene Erleben zu richten. Sich zu spüren, statt sich in Gedanken oder Reizen zu verlieren. Es ist ein Zurückkommen – aus dem Außen nach Innen. In psychologischen Begriffen bedeutet Zentrierung, die Aufmerksamkeit bewusst zu steuern – meist in Richtung des eigenen Körpers oder eines stabilen inneren Bildes.

Aus Sicht des Nervensystems ist es eine Art Reset: Wenn wir zentriert sind, schaltet unser Körper aus dem Stressmodus (Sympathikus) in den beruhigenden Zustand des Parasympathikus – genauer gesagt: des ventralen Vagusnervs. Dieser Teil des Nervensystems ist für Sicherheit, Verbindung und innere Ruhe zuständig.

In spirituellen oder energetischen Traditionen meint Zentrierung oft die Rückkehr zum „wahren Selbst“, zum inneren Raum der Klarheit. Doch unabhängig von der Sprache geht es immer um dasselbe: wieder bei sich selbst anzukommen.

Wie kann Zentrierung Menschen mit ADHS helfen?

ADHS bedeutet nicht nur, dass man unkonzentriert oder impulsiv ist. Es bedeutet vor allem, dass das Nervensystem oft im Alarmzustand ist – überreizt, angespannt, schnell abgelenkt. Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist beeinträchtigt: Man reagiert oft schneller, als man denkt, und merkt manchmal erst im Nachhinein, was einen überfordert hat.

Zentrierung kann hier ein einfaches, aber wirkungsvolles Gegenmittel sein. Sie bringt dich aus dem reaktiven Modus in einen bewussteren Zustand. Durch das Spüren deines Körpers – zum Beispiel durch die Fingerübung – schickst du deinem Gehirn das Signal: „Ich bin sicher. Ich bin da.“ Das hilft, Reize zu verarbeiten, den Fokus zu finden und nicht jedem Impuls sofort zu folgen.

Was wird da eigentlich reguliert?

Ganz konkret:

  • die Aufmerksamkeit (sie wird gesammelt)
  • die emotionale Reaktion (sie wird verlangsamt)
  • die innere Unruhe (sie wird geerdet)
  • die Impulsivität (sie wird unterbrochen)

Je öfter du solche Übungen machst, desto leichter fällt es deinem Gehirn, in schwierigen Momenten wieder in die Balance zu finden. Zentrierung ist also kein Trick, sondern ein Training – und ein Weg zu mehr Selbstwirksamkeit im Alltag mit ADHS. Und weil ich jetzt nicht mehr schreiben und reden will, kommt jetzt eine kurze Übung als Audiodatei. Ich nenne sie die Qualle. Die Qualle ist eine Abwandlung von der PEP Übung, angepasst an die Personen in meiner ADHS Gruppe. Die Übung hat funktioniert. Die Rückmeldungen dazu waren super. Hier die Audio (8 Minuten) und meine Wohlwünsche dazu.

Und jetzt kommt die Aufnahme noch zweimal, allerdings kürzer. Viel Freude damit!

Bilder: