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Selbstvalidierung – Wie wir als Erwachsene nachnähren, was uns als Kinder gefehlt hat

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Viele Menschen tragen ein tiefes, oft unbewusstes Gefühl in sich, nicht gesehen, nicht verstanden oder nicht angenommen worden zu sein. Dieses Gefühl – „etwas stimmt nicht mit mir“ – ist kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck eines unerfüllten Bedürfnisses: dem Bedürfnis nach emotionaler Validierung. In diesem Artikel erfährst du, was Validierung eigentlich ist, welche Rolle sie in der Kindheit spielt – und wie wir als Erwachsene nachnähren können, was einst gefehlt hat.

Was bedeutet Validierung?

Validierung meint das emotionale Anerkennen und Spiegeln unserer inneren Realität: unserer Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse und Erfahrungen. Es geht nicht darum, ob diese richtig oder vernünftig sind – sondern darum, dass sie nachvollziehbar sind und ihren Platz haben dürfen.

Die Wurzeln: Validierung in der Kindheit

Die Bindungstheorie zeigt, dass sichere Bindung entsteht, wenn ein Kind folgendes erlebt: Meine Bezugsperson reagiert feinfühlig auf mich. Ich werde verstanden, gespiegelt, beruhigt. Diese emotionale Resonanz bildet die Grundlage für ein kohärentes Selbstgefühl (Bowlby, 1988; Ainsworth, 1978).

Rogers (1961) beschrieb das Bedürfnis nach „unconditional positive regard“ – also bedingungsloser positiver Zuwendung. Nur wenn ein Mensch sich ohne Bewertung gesehen fühlt, kann er zu einem authentischen Selbst heranwachsen.

Was passiert, wenn Validierung fehlt?

Wenn ein Kind wiederholt erlebt, dass seine Gefühle ignoriert, abgewertet oder nicht verstanden werden, entsteht ein brüchiges Selbstbild. Daniel Siegel (2010) beschreibt diesen Mangel an emotionaler Resonanz als fehlendes „feeling felt“ – das tiefe, intuitive Gefühl, von jemandem innerlich berührt und verstanden zu werden. Ohne diese Erfahrung kann sich keine stabile Selbstwahrnehmung entwickeln.

Gabor Maté (2019) betont, dass viele Menschen als Kinder lernen mussten, sich anzupassen statt authentisch zu sein, um Bindung nicht zu gefährden. Dabei opfern sie ihre innere Wahrheit – und entfernen sich von sich selbst.

Der Weg zurück zu uns selbst: Selbstvalidierung als Heilung

Auch wenn frühe Erfahrungen tief prägen – sie sind nicht unveränderlich. Das Gehirn ist formbar. Wir können nachreifen. Hier sind Wege, wie du als Erwachsene:r lernen kannst, dich selbst zu validieren:

  1. Die therapeutische Beziehung als Spiegel

    In vielen Psychotherapien – insbesondere in der dialektisch-behavioralen Therapie (DBT) nach Marsha Linehan (1993) – ist Validierung ein zentrales therapeutisches Mittel. Der:die Therapeut:in spiegelt und benennt deine inneren Zustände auf eine Weise, die dein Nervensystem beruhigt und stärkt.

  2. Selbstmitgefühl kultivieren

    Kristin Neff (2011) hat mit ihrer Forschung zum Selbstmitgefühl gezeigt, dass wir lernen können, uns selbst zu halten wie eine mitfühlende Bezugsperson: mit Verständnis, Wärme und Erlaubnis. Selbstmitgefühl ist Selbstvalidierung in Handlung.

  3. Körperspürende Verfahren nutzen

    Viele körpertherapeutische Ansätze – wie Somatic Experiencing, IFS, NARM oder achtsamkeitsbasierte Körperarbeit – helfen, nicht-validierte Emotionen im Körper zu fühlen, zu halten und in Beziehung zu bringen.

  4. Verbundene Sprache sprechen

    Marshall Rosenberg (2003) entwickelte die Gewaltfreie Kommunikation, um echte Verbindung durch Empathie und Bedürfnisse zu ermöglichen. Wer seine Gefühle und Bedürfnisse klar und einfühlsam ausdrücken kann, beginnt sich selbst zu validieren – nicht nur im Kopf, sondern in Beziehung.

Fazit: Validierung ist Nahrung für das Selbst

Wir brauchen kein perfektes Außen, um heil zu werden – aber wir brauchen echte Resonanz. Ob durch Therapie, Selbstmitgefühl, Körperarbeit oder Beziehung: Selbstvalidierung ist ein Weg, das innere Kind zu umarmen, das einst allein war. Du darfst dich selbst fühlen. Und du darfst dir glauben.

Anbei findest du nun eine kurze Audiolektion, eine geführte Meditation, mit der du dir selbst ein Geschenk machen kannst.

Literatur:

  • Ainsworth, M. D. S. (1978). Patterns of Attachment: A Psychological Study of the Strange Situation. Hillsdale, NJ: Erlbaum.
  • Bowlby, J. (1988). A Secure Base: Parent-Child Attachment and Healthy Human Development. New York: Basic Books.
  • Linehan, M. M. (1993). Cognitive-Behavioral Treatment of Borderline Personality Disorder. New York: Guilford Press.
  • Maté, G. (2019). When the Body Says No: The Cost of Hidden Stress. Vermilion.
  • Neff, K. (2011). Self-Compassion: The Proven Power of Being Kind to Yourself. New York: William Morrow.
  • Rogers, C. R. (1961). On Becoming a Person: A Therapist’s View of Psychotherapy. Boston: Houghton Mifflin.
  • Rosenberg, M. B. (2003). Nonviolent Communication: A Language of Life (2nd ed.). Encinitas, CA: PuddleDancer Press.
  • Siegel, D. J. (2010). The Mindful Therapist: A Clinician’s Guide to Mindsight and Neural Integration. New York: W. W. Norton & Company.

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