Auf meiner Webseite hinterfrage ich ja die Konstruktionen unserer Wirklichkeit und gleichzeitig rege ich dazu an, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu lösen. Wir leben ja in einer Welt, die von Perfektionismus geprägt ist. Von daher scheint dieser Ansatz schwer umsetzbar, aber nicht unmöglich. Insbesondere das neuere Phänomen des Body Shaming zeigt, wie tief die gesellschaftliche Fixierung auf Optimierung und Kontrolle des eigenen Körpers verwurzelt ist. Body Shaming, also die Abwertung von Körpern aufgrund ihrer Form, Größe oder ihres Aussehens, ist kein individuelles Problem, sondern ein strukturelles, das durch die zunehmende Selbstoptimierungswelle noch verstärkt wird.
Was ist Body Shaming eigentlich?
Body Shaming umfasst alle Formen der negativen Bewertung des eigenen oder fremder Körper. Was heißt das jetzt konkret? Konkret könnte es durch abwertende Kommentare, subtile gesellschaftliche Erwartungen oder die Darstellung vermeintlich idealer Körper in den Medien umgesetzt werden. Studien zeigen, dass Body Shaming gravierende psychologische Auswirkungen hat (Dalski et al., 2022). Betroffene entwickeln häufig ein gestörtes Essverhalten, leiden unter Angstzuständen oder Depressionen und haben ein geringes Selbstwertgefühl.
Die Rolle der Selbstoptimierung
Der gesellschaftliche Trend zur Selbstoptimierung spielt eine zentrale Rolle bei der Verstärkung von Body Shaming. In unserer Kultur ist der Körper nicht nur ein biologisches Gebilde, sondern ein Projekt, das es zu verbessern gilt. So schreiben Gnedt (2018), sowie Gülzau & Mau (2020) dass die zunehmende Entwicklung zur Selbstoptimierung eng mit neoliberalen Idealen verknüpft ist. Der Mensch soll sich permanent optimieren, um leistungsfähig, gesund und attraktiv zu bleiben. Dabei werden natürlich gewisse Wirtschaftsbereiche angesprochen, d.h. leistungsfähige, gesunde und attraktive Individuen konsumieren und das ist auch so gewollt.
Dies führt allerdings zu einem paradoxen Zustand. Einerseits wird propagiert, dass jeder Körper schön ist, andererseits wird durch Fitness-Apps, Diättrends und Instagram-Filter eine nahezu unerreichbare Idealvorstellung erzeugt. Wer diesem Bild nicht entspricht, wird oft von anderen oder sich selbst abgewertet. Besonders problematisch ist, dass Selbstoptimierung als persönliche Verantwortung dargestellt wird. Wer nicht an seinem Körper arbeitet, gilt schnell als undiszipliniert oder verantwortungslos. Was hier passiert ist eine Abwertung der Individuen, die nicht an sich arbeiten im Sinne eines Optimierungswahns und gleichzeitig eine Aufwertung der Individuen, die an sich arbeiten. Was hier aufgewertet wird, ist das Selbstwertgefühl, denn wahre Stärke entsteht leider aus dieser Optimierung nicht. Sie greift einfach nicht zu tief. Sie kratzt lediglich an der Oberfläche.
Auswirkungen auf das soziale Gefüge
Die Verknüpfung von Selbstoptimierung und Body Shaming hat nicht nur individuelle, sondern auch gesellschaftliche Konsequenzen. Gnedt (2018) beschreibt, dass die zunehmende Moralisierung von Selbstoptimierung das solidarische Selbstverständnis der Gesellschaft gefährdet. Wenn individuelle Körpergestaltung zum Wertemaßstab wird, entsteht eine Kultur der Bewertung und des Ausschlusses. Dies betrifft insbesondere marginalisierte Gruppen, die aufgrund struktureller Ungleichheiten gar nicht die gleichen Möglichkeiten zur Selbstoptimierung haben.
Aber lass uns mal die Spur wechseln. Menschen müssen ja nicht jeden Hype mitmachen. Wir dürfen auch anders und dies kann uns niemand verbieten.
Wege aus der Body Shaming-Falle
Um Body Shaming und den damit verbundenen Optimierungszwang zu bekämpfen, sind verschiedene Ansätze notwendig:
- Kritische Reflexion gesellschaftlicher Ideale: Wir müssen hinterfragen, warum bestimmte Körperbilder als ideal gelten und wer davon profitiert. Was mir dabei am meisten geholfen hat, ist die Atmung, die mich in die Präsenz des gegenwärtigen Augenblicks brachte. So konnte ich mein Nervensystem runterfahren, um ein wenig Abstand zu gewinnen, um mir dann im Anschluss diese Glaubenssätze ein wenig näher anzusehen.
- Medienkompetenz fördern: Der bewusste Umgang mit sozialen Medien kann helfen, unrealistische Darstellungen zu erkennen und sich nicht von ihnen beeinflussen zu lassen. Das ist ein sehr weites Feld. Ich erinnere mich an mehrere Unterhaltungen mit einer Freundin, welche Lehrerin in einer Schule ist. Wir sprachen des Öfteren über das Buch von Romy Jasper und Lanius Davi “Die Wahrheit schafft sich ab”. Ein sehr lesenswertes Buch vom Reclam Verlag. Gibt einen sehr guten Überblick über soziale Medien und auch darüber hinaus.
- Positive Körperbilder verbreiten: Kampagnen und Bewegungen wie "Body Positivity" können helfen, diverse Körperbilder sichtbarer zu machen. Du könntest einer Gruppe oder einer Kampagne beitreten. Da wären Gleichgesinnte, mit ähnlichen Zielen und ähnlichen Werten. Soziales Aufgehoben-Sein ist doch etwas, was nicht bezahlbar ist.
- Psychische Gesundheit stärken: Therapeutische Ansätze und Bildungsprogramme sollten das Selbstwertgefühl stärken, ohne Selbstoptimierung als Pflicht darzustellen. Ich spreche mich für Bewegung und Ernährung in einem gesunden Rahmen aus. Der gesunde Rahmen will vorher natürlich gesteckt sein. Von daher bedarf es vielleicht einer Unterhaltung, was darunter zu verstehen ist. Tausche dich gerne dazu mit anderen aus und exploriere.
- Gesellschaftliche Strukturen ändern: Anstatt den Einzelnen zu optimieren, sollte das gesellschaftliche Umfeld so gestaltet werden, dass Menschen unabhängig von ihrem Körper gleichberechtigt teilhaben können.
Ich möchte noch ein Wort zum Embodiment sagen.
Body Shaming und Embodiment
Body Shaming und Embodiment sind eng miteinander verknüpft. Embodiment beschreibt die Fähigkeit, sich mit dem eigenen Körper verbunden zu fühlen und ihn als Teil des Selbst zu erleben. Body Shaming jedoch fördert eine Entfremdung vom eigenen Körper, indem es unrealistische Schönheitsideale und negative Bewertungen verstärkt. Betroffene fühlen sich häufig von ihren eigenen Körperempfindungen abgeschnitten, meiden bestimmte Körperteile oder betrachten ihren Körper nur noch durch eine kritische, objektifizierende Perspektive.
Diese Entfremdung kann auch die Bewegung beeinflussen. Wer Scham über den eigenen Körper empfindet, bewegt sich oft eingeschränkter, hält sich zurück oder entwickelt Verspannungen durch anhaltenden Stress. Die Lösung kann in somatischen Praktiken wie Feldenkrais, Yoga oder achtsamer Bewegung liegen, die helfen können, den Körper wieder aus einer inneren Perspektive zu erfahren, ohne ihn durch äußere Maßstäbe zu bewerten.
Fazit
Body Shaming und Selbstoptimierung sind zwei Seiten derselben Medaille. Beide basieren auf gesellschaftlichen Normen, die bestimmte Körper abwerten und Optimierung als Pflicht darstellen. Ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Akzeptanz und Vielfalt ist notwendig, um Menschen aus dieser Spirale zu befreien. Dies erfordert nicht nur individuelle, sondern vor allem strukturelle Veränderungen in Medien, Bildung und sozialen Normen. Ein erster Schritt ist es, sich bewusst zu machen, dass der Wert eines Menschen nicht von seinem Körper abhängt.
Literatur
- Dalski, L., Flöter, K., Keil, L., Lohse, K., Sand, L., & Schülein, A. (2022). Optimierung des Selbst – Konzepte, Darstellungen und Praktiken. Transcript Verlag.
- Gnedt, J. (2018). Ursachen und soziale Risiken eines modernen „Trends“ – Selbstoptimierung. Masterarbeit, Johannes Kepler Universität Linz.
- Gülzau, F., & Mau, S. (2020). Selbstoptimierung, Selbstverwirklichung, investive Statusarbeit. Zur Verkopplung dreier Praxisformen. Zeitschrift für Pädagogik, 66(1), 29-35.
Bilder:
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