Wellen oder im Flow sein

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Wellenförmige Bewegungen können in vielen körpertherapeutischen Ansätzen als heilend angesehen werden, da sie den natürlichen Fluss von Energie, Atmung und Bewegung im Körper unterstützen. Ihre heilende Wirkung beruht auf mehreren Prinzipien. Die schauen wir uns gleich ein wenig näher an. Wie kam ich auf diese Idee, über Wellen zu schreiben?

Als ich in den USA war, besuchte ich eine Klasse von Lily Kiara zum Skinner Releasing. Dazu habe ich bereits einen Artikel geschrieben, siehe hier: Feldenkrais und die Skinner Releasing Technik

Das war sehr inspirierend. Tage später machte ich eine Feldenkrais-ATM-Lektion (Awareness Through Movement) von der Lehrerin Ruthy Alon (1996). Die Lektion wird auf dem Boden mit einer Rolle durchgeführt. Das rhythmische Schaukeln auf dieser Rolle erzeugt Vibrationen, die darauf abzielen, die Gelenke zu öffnen und den Körper neu auszurichten. Die Rolle unterstützt dabei, sich dem Gesetz der Schwerkraft hinzugeben, indem man sich stärker in den Boden sinken lässt und so eine vertrauensvolle und liebevolle Beziehung zur Schwerkraft aufbaut. Die wellenförmigen Bewegungen auf der Rolle werden wie folgt beschrieben:

  • Eine Welle ist keine Position, keine Struktur oder irgendein statischer Zustand.
  • Eine Welle lebt, wenn sie hin und her fließt und man sich ihr mit flüssiger Anpassungsfähigkeit hingibt, wodurch ein Weg freigemacht wird, damit die Welle weiter fließen und sich erneuern kann.
  • Jede Anstrengung blockiert die Welle und bringt sie zum Stillstand.
  • Eine Welle strebt nach wiederholten Vibrationen ohne Belastung des Rückens, ohne Anspannung der tiefen Bauchmuskulatur, ohne Versteifung der Oberschenkelmuskeln, ohne Kieferverspannungen und ohne Einschränkungen der Atmung.
  • Eine Welle als vibrierende Bewegung erinnert den Organismus daran, Bewegungen an den Rhythmus eines zyklischen Flusses anzupassen.
  • Die Welle ist die Form, mit der der Körper die Methode ausdrückt, die die Natur verwendet, um das Leben zu manifestieren.

Betrachte mal das Artikelbild. Sind es nicht anmutige Wellen, die die Natur hervorbringt. Jede einzelne Welle existiert nur ein einziges Mal und ist somit einzigartig.

Du kannst mit solch einer Arbeit deine Selbstregulation fördern

Wellenförmige Bewegungen imitieren die Rhythmen der Natur und des Körpers, wie Herzschlag, Atem und Verdauung. Diese Bewegungen können dazu beitragen, das Nervensystem zu beruhigen, indem sie rhythmische, wiederholende Muster erzeugen, die in der Polyvagal-Theorie als regulierend auf den Vagusnerv beschrieben werden (Porges, 2011). Dies kann eine tiefere Entspannung und ein Gefühl von Sicherheit fördern.

Du kannst damit Blockaden lösen

Durch sanfte, kontinuierliche Wellenbewegungen werden Spannungen in Muskeln und Faszien gelöst. Diese Bewegungen fördern die Durchblutung und die Verteilung von Flüssigkeiten im Körper, was die Heilung und Regeneration unterstützen kann. Ansätze wie die Feldenkrais-Methode verwenden wellenförmige Bewegungen, um Verklebungen in den Geweben zu lösen und Bewegungsfreiheit wiederherzustellen. Es gibt neben Feldenkrais auch andere Methoden, die mit Wellen arbeiten.

“Wir sind Wasser und bewegen uns an Land”, sagte Emilie Conrad (2007), Gründerin von Continuum. Diese Methode lädt quasi zu fließenden Bewegungen ein. Unterstützt wird dies durch Klang- und Atemsequenzen. Dadurch kann Entspannung entstehen. Der Körper ist hierbei der mit seiner eigenen Art und Weise befasst, mit seiner Körperlichkeit.

Auch Emotionen lassen sich damit gut verarbeiten

Wellenartige Bewegungen können auch emotionale Prozesse anregen. Anna Halprin (2001) und andere Tanztherapeuten nutzten diese Bewegungen, um unbewusste Emotionen sanft an die Oberfläche zu bringen und einen sicheren Rahmen für deren Ausdruck zu schaffen. Der fließende Charakter der Bewegungen kann helfen, festgehaltene Emotionen oder Traumaenergien im Körper zu lösen.

Anna Halprin, eine Pionierin des therapeutischen Tanzes, nutzte diese Vorstellung. Sie beschrieb die Bewegung und Energie von Wellen als ein fundamentales Prinzip ihrer Arbeit, das die natürliche Dynamik von Rhythmus und Fluss im Körper widerspiegelt. Diese Wellen dienen als Mittel, um tiefere Verbindungen zur eigenen Körperwahrnehmung herzustellen und den Fluss von Emotionen zu fördern.

Halprin betrachtete Tanz als eine Form, die nicht nur Ausdruck, sondern auch Heilung ermöglichen kann. Ihre Arbeit, insbesondere die Improvisation, bezog sich auf das intuitive und lebendige Bewegen, das den natürlichen Rhythmen der Natur folgt, einschließlich wellenförmiger Bewegungen. Sie setzte diese Ideen ein, um Menschen zu helfen, sich mit ihren Gefühlen zu verbinden, Traumata zu verarbeiten und Vertrauen in die eigenen Bewegungen und den Körper zu entwickeln.

Oder sich einfach nur ganz fühlen

Wellenförmige Bewegungen fördern eine tiefere Verbindung zum eigenen Körper. Sie laden dazu ein, achtsam wahrzunehmen, wie sich Bewegungen anfühlen und wie der Körper darauf reagiert. Diese Praxis kann das Bewusstsein für den eigenen Körper stärken und ein Gefühl von Ganzheit und Verbundenheit fördern.

Die Lebensenergie fließen lassen

Bei Continuum Movement (Conrad, 2007) wird der Welle eine besondere Bedeutung beigemessen: Sie wird als Ausdruck der Lebensenergie betrachtet. Durch das Erleben dieser Bewegungen wird der Körper daran erinnert, wie er sich natürlich und ohne Anstrengung bewegen kann, was eine regenerierende und vitalisierende Wirkung hat.

Fazit

Zusammenfassend können wellenförmige Bewegungen heilsam sein, weil sie natürliche Rhythmen und Flüsse im Körper reaktivieren, Blockaden lösen, emotionale Verarbeitung fördern und die Verbindung von Körper und Geist stärken. Sie wirken sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene ausgleichend und regenerierend. Wenn ich morgens aufstehe und in die Küche gehe, um zu kochen, mache ich sehr sehr sehr oft diese Bewegungen, während nebenher die Linsen und das Gemüse vor sich hin simmern. Und was machst du so morgens in der Küche, um in den Flow zu kommen?

Literatur:

  • Alon, Ruthy (1996). Mindful Spontaneity. Berkeley: North Atlantic Books
  • Conrad, Emilie (2007). Life on Land: The Story of Continuum, the World-Renowned Self-Discovery and Movement Method. Berkeley: North Atlantic Books
  • Halprin, Anna (2001). Returning To Health: with Dance, Movement and Imagery. Mendocino: Life Rhythm
  • Porges, Stephen W. (2011). The Polyvagal Theory: Neurophysiological foundations of emotions, attachment, communication, and self-regulation. New York: W. W. Norton.

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