In einer Welt, die zunehmend von sozialen Medien und globaler Vernetzung geprägt ist, erleben immer mehr Menschen eine tiefe Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit. Dieses Gefühl, nicht gesehen zu werden und keine Anerkennung zu erfahren, ist eine der zentralen Herausforderungen, mit denen viele Individuen konfrontiert sind, insbesondere im Kontext der sozialen Erwartungen, die uns durch das moderne Leben auferlegt werden. Wie würde Carlo Strenger, der renommierte Psychologe, auf die Aussage reagieren, dass jemand sich von anderen nicht wahrgenommen oder anerkannt fühlt? Jetzt können wir ihn leider nicht mehr fragen, aber eventuell versuchen abzuleiten, wie seine Schriftstücke auf diese Aussage antworten würden.

Strenger, bekannt für seine Untersuchungen über die Angst vor Bedeutungslosigkeit, würde wahrscheinlich betonen, dass das Bedürfnis nach Anerkennung ein fundamentales menschliches Bedürfnis ist, das tief in unserer sozialen Natur verwurzelt ist. Er würde darauf hinweisen, dass dieses Bedürfnis in der heutigen Gesellschaft zunehmend ins Wanken gerät. Die allgegenwärtige Präsenz von sozialen Medien und die ständige Konfrontation mit den scheinbar perfekten Leben anderer Menschen führen zu einer verzerrten Wahrnehmung des Selbst und zu einem ständigen Vergleich.

In seiner Forschung, die er in seinem Buch "The Fear of Insignificance" (2011) darlegt, beschreibt Strenger, wie die moderne Gesellschaft, insbesondere durch die Globalisierung und die Digitalisierung, einen neuen Menschentyp hervorgebracht hat: den homo globalis. Dieser Mensch ist ständig online, vergleicht sich mit anderen und misst seinen Wert anhand von Erfolg und Ruhm, wie sie in den Medien präsentiert werden.

Das Phänomen der Bedeutungslosigkeit

Strenger würde darauf hinweisen, dass Menschen heute in einer Welt leben, in der der Zugang zu globaler Information und die Sichtbarkeit von Prominenten die Grundlage für die Selbstwahrnehmung geschaffen haben. Wenn jemand sagt, dass er oder sie von anderen nicht gesehen wird, spricht dies in vielerlei Hinsicht eine tief verwurzelte Angst an, die durch die ständige Konfrontation mit den Erfolgen und dem Ruhm anderer verstärkt wird. Diese Angst vor Bedeutungslosigkeit entsteht, wenn Menschen sich mit den erfolgreichsten und sichtbarsten Persönlichkeiten weltweit vergleichen und dabei das Gefühl haben, dass ihre eigenen Errungenschaften und ihr Leben im Vergleich unbedeutend erscheinen.

In diesem Zusammenhang würde Strenger den Unterschied zwischen äußerer Anerkennung, die oft auf oberflächlichen, messbaren Erfolgen basiert, und innerer Anerkennung, die mit einem stabilen, selbstakzeptierenden Selbstverständnis verbunden ist, betonen. Er würde argumentieren, dass Anerkennung von außen, die nur durch den Vergleich mit anderen entsteht, eine instabile Grundlage für das Selbstwertgefühl bietet und oft zu einer verzerrten Wahrnehmung des eigenen Lebens führt. Die ständige Jagd nach Bestätigung durch soziale Medien und gesellschaftliche Normen schafft eine tiefgreifende Unzufriedenheit, weil sie nicht mit einem authentischen Gefühl der Selbstannahme und des inneren Friedens verbunden ist.

Die Bedeutung der inneren Anerkennung

Strenger würde weiter anmerken, dass der Weg zur Überwindung dieser Angst nicht in der Suche nach äußerer Anerkennung liegt, sondern in der Entwicklung einer stabilen inneren Anerkennung. Dies erfordert eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Weltanschauung. In seinem Konzept der aktiven Selbstakzeptanz fordert Strenger dazu auf, sich von den oberflächlichen Erfordernissen der Gesellschaft und den falschen Versprechungen der Pop-Spiritualität zu befreien. Anstatt sich nach den illusorischen Zielen von Ruhm und Erfolg zu orientieren, plädiert er dafür, dass Menschen in ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung investieren, nicht nur in ihre beruflichen Qualifikationen, sondern auch in ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls.

Ein langfristiger Prozess der Selbstentwicklung

Strenger würde auch darauf hinweisen, dass die Kultur einen großen Einfluss auf unsere Identitätsbildung hat. Die sozialen Strukturen und Werte, die wir erleben, prägen unsere Wahrnehmung von uns selbst und von anderen. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Materialismus und äußeren Maßstäben des Erfolgs geprägt ist, wird das Bedürfnis nach Anerkennung oft überhöht und entwertet. Strenger fordert, dass wir als Gesellschaft beginnen, alternative Wege der Anerkennung zu kultivieren – Wege, die auf authentischer Verbindung, Vertrauen und gegenseitigem Respekt beruhen, anstatt auf oberflächlichem Erfolg.

Fazit

Wenn ein Mensch Carlo Strenger sagen würde, dass er oder sie nicht gesehen oder anerkannt wird, würde Strenger dies nicht nur als individuelles Problem verstehen, sondern als ein Symptom einer tieferliegenden kulturellen Krise. Er würde betonen, dass wahre Anerkennung nicht von außen kommen kann, sondern von der Fähigkeit, sich selbst zu verstehen und anzunehmen. Der Weg zur Heilung liegt nicht im ständigen Vergleich mit anderen, sondern in der Entwicklung einer stabilen, authentischen Identität, die unabhängig von äußeren Maßstäben existiert. Strenger würde vorschlagen, dass wir lernen, uns selbst und andere in einer Weise zu sehen, die von Mitgefühl und wahrer Verbundenheit geprägt ist, nicht von den flüchtigen Maßstäben des gesellschaftlichen Erfolgs.

Wenn du weiterlesen möchtest, gerne hier: Sehen und gesehen werden – Das uralte Bedürfnis nach Anerkennung

Literatur:

  • Strenger, Carlo (2011). The Fear of Insignificance. Searching for Meaning in the Twenty-first Century. London: Palgrave Macmillan

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