Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie tief die Verbindung zwischen deinem Körper, deinem Nervensystem und deiner Art zu essen wirklich geht? Die Polyvagal-Theorie gibt uns einen liebevollen Blick darauf, wie dein Vagus-Nerv – dein „Ruhen-und-Verdauen“-Schalter – mit jeder Kau- und Schluckbewegung, jedem Duft und jedem Geschmackssinn interagiert. Sie erzählt die Geschichte davon, wie dein autonomes Nervensystem deine Verdauung und dein Wohlbefinden in Einklang bringen kann.
Langsames Essen und der Vagus ist voll dabei
Wenn du langsam isst und deine Nahrung wirklich schmeckst, gibst du deinem Vagus-Nerv die Möglichkeit, dein System in einen Zustand von Ruhe und Sicherheit zu bringen. Dein Körper kann dann die Nährstoffe optimal aufnehmen, während dein Gehirn gleichzeitig das Gefühl von Zufriedenheit und Sättigung meldet. Es ist, als ob dein Körper und dein Geist eine harmonische Melodie spielen, wenn du dir Zeit nimmst, zu kauen und zu genießen.
Langsames Essen verbrennt sogar Fett
Wusstest du, dass langsames Essen nicht nur deine Verdauung verbessert, sondern auch positiv auf die Fettverteilung in deinem Körper wirken kann? Studien zeigen, dass Menschen, die langsam essen, oft einen schlankeren Taillenumfang und eine gesündere Körperzusammensetzung haben. Es ist eine Einladung an dich, deinem Körper die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient.
Eine große Studie von Ni und Kollegen (2022) mit 4770 Teilnehmer*innen (18–80 Jahre) untersuchte den Zusammenhang zwischen Essgeschwindigkeit und Körperfettverteilung. Langsames Essen war mit positiven Effekten verbunden, wie einem geringeren Taillenumfang, weniger Fett im Rumpfbereich und mehr Fett an Beinen und Hüfte. Besonders stark zeigte sich dieser Effekt bei jungen Erwachsenen (18–44 Jahre) und Menschen mit normalem Gewicht (BMI < 24). Für ältere Personen und Menschen mit Übergewicht wurden keine signifikanten Effekte festgestellt. Langsames Essen könnte daher eine vielversprechende Methode sein, die Körperzusammensetzung und Fettverteilung zu verbessern.
Kennst du schon Horace Fletcher?
Horace Fletcher (1849–1919), bekannt als „The Great Masticator“, vertrat die Theorie, dass gründliches und langsames Kauen jedes Bissens nicht nur die Verdauung verbessert, sondern auch eine Gewichtszunahme verhindert. Er postulierte, dass bewusstes Kauen dem Körper die Zeit gibt, Sättigungssignale wahrzunehmen und dadurch weniger Nahrung aufgenommen wird.
Eine aktuelle Studie (Smit et al., 2011) überprüfte Fletchers Lehre, indem sie Teilnehmende anwies, entweder 35 oder nur 10 Kaubewegungen pro Bissen auszuführen. Dabei wurde das Kauen mithilfe von Elektromyographie überwacht. Die Ergebnisse zeigten, dass eine höhere Anzahl von Kaubewegungen die Nahrungsaufnahme reduzierte, obwohl die Teilnehmenden schneller kauten und die Essenszeit sich verdoppelte, bis sie ein angenehmes Sättigungsgefühl erreichten. Diese Beobachtungen stützen Fletchers Theorie, dass langsames bewusstes Kauen zur Regulierung der Essensmenge beitragen kann.
Gründliches Kauen könnte eine effektive Strategie zur Gewichtskontrolle und zur Förderung einer gesünderen Esskultur sein. Die Studie liefert eine Grundlage für weitere Forschungen, um die Mechanismen hinter Fletchers Ansatz besser zu verstehen und praktisch nutzbar zu machen.
Musik kann beim Essen hilfreich sein
Auch Musik kann dich auf dieser Reise unterstützen: Sanfte, langsame Klänge, wie Legato-Musik, fördern ein ruhiges, bewusstes Essen. Sie helfen dir, in einen Zustand von Entspannung einzutauchen, in dem du wirklich mit dir selbst in Verbindung kommst. Die Umgebung, in der du isst – Licht, Farben, Temperatur – und die Qualität deiner Ruhe beeinflussen ebenfalls, wie gut dein Vagus-Nerv seine Aufgabe erfüllen kann.
Untersuchungen von Mathiesen und Kollegen (2020) zeigen, dass äußere Faktoren wie Musik das Essverhalten beeinflussen können. In zwei Experimenten wurde untersucht, wie Tempo und Artikulation von Musik die Essensdauer verändern. Die Ergebnisse können sich sehen lassen:
- Langsame, legato Musik verlängerte die Essenszeit deutlich im Vergleich zu schneller, staccato Musik.
- Langsames Tempo hatte insgesamt den größten Einfluss, während legato diesen Effekt verstärkte, jedoch nur bei langsamer Musik.
- Musik jeglicher Art führte zu längerer Essensdauer im Vergleich zu Stille.
Musik könnte gezielt genutzt werden, um langsameres Essen zu fördern, was mit einer reduzierten Nahrungsaufnahme und gesünderem Essverhalten einhergehen könnte.
Und nun?
Stress, Sorgen und Hast hingegen können deinen Vagus-Nerv aus dem Gleichgewicht bringen und deine Verdauung beeinträchtigen. Schnelles Essen erhöht nachweislich das Risiko für Übergewicht und Stoffwechselprobleme wie Diabetes – ein Zeichen dafür, dass dein Körper mehr Ruhe braucht. Warum also nicht innehalten und dich fragen:
--> Wie fühlt sich mein Körper an, wenn ich langsam esse?
--> Wie verändert sich mein Wohlbefinden, wenn ich meinem Essen mehr Aufmerksamkeit schenke?
Lass dich von dieser Erkenntnis inspirieren: Dein Essen ist nicht nur Treibstoff. Es ist eine Möglichkeit, dich selbst zu nähren, mit deinem Körper in Harmonie zu kommen und deinem Nervensystem Frieden zu schenken. Jedes Mal, wenn du dich hinsetzt, um bewusst zu kauen, schenkst du dir selbst ein Stück Achtsamkeit – eine Geste der Selbstliebe, die tief in dir nachwirken kann.
“Eine gute Verdauung und eine optimale Aufnahme der Nährstoff unserer Nahrung sind abhängig von der Ruhe, die wir uns gönnen” (Michalsen, 2024).
Literatur:
- Mathiesen, S. L., Mielby, L. A., Byrne, D. V., & Wang, Q. J. (2020). Music to eat by: A systematic investigation of the relative importance of tempo and articulation on eating time. Appetite, 155, 104801. https://doi.org/10.1016/j.appet.2020.104801
- Michalsen, Andreas (2024). Ernährung. Meine Quintessenz. Berlin: Insel Verlag
- Ni, S., Jia, M., Wang, X., Hong, Y., Zhao, X., Zhang, L., Ru, Y., Yang, F., & Zhu, S. (2022). Associations of eating speed with fat distribution and body shape vary in different age groups and obesity status. Nutrition & metabolism, 19(1), 63. https://doi.org/10.1186/s12986-022-00698-w
- Smit, H. J., Kemsley, E. K., Tapp, H. S., & Henry, C. J. (2011). Does prolonged chewing reduce food intake? Fletcherism revisited. Appetite, 57(1), 295–298. https://doi.org/10.1016/j.appet.2011.02.003
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