Tagged: Angst · Feldenkrais · Stress · Wahrnehmung

Amygdala und Hippocampus – Ihre Rolle im emotionalen und bewussten Lernen

Featured Image

In einem spannenden Buch mit dem Titel "Why Therapy Works" beschreibt Louis Cozolino (2016), wie Therapie dabei hilft, Bewusstsein zu erweitern und neuronale Systeme des bewussten und unbewussten Erinnerns zu integrieren. Diese Integration entspricht einem ganzheitlichen Ansatz, der die Verknüpfung zwischen explizitem und implizitem Erinnerungsvermögen betont. Schauen wir uns erst einmal kurz den Unterschied zwischen explizit und implizit an.

Explizites und implizites Erinnerungsvermögen

Cozolino unterscheidet zwei Arten von Erinnerungen:

  • Explizites Erinnerungsvermögen:
    - Entwickelt sich erst im Laufe der Jahre (ab etwa dem 2. Lebensjahr).
    - Kontextualisiert Erfahrungen und ist zuständig für bewusstes Lernen.
    - Unterteilt sich in verschiedene Formen, darunter:
    —> Episodisches Gedächtnis: Ermöglicht autobiografisches Erzählen.
    —> Semantisches Gedächtnis: Verantwortlich für Wissen und kulturelle Weitergabe.
    - Wichtig für die Emotionsregulation und die Entwicklung der Identität.

  • Implizites Erinnerungsvermögen:
    - Entwickelt sich bereits vor der Geburt.
    - Arbeitet unbewusst und beeinflusst motorische sowie emotionale Muster.
    - Beispiele: Fahrradfahren; Instinktives Unwohlsein bei verdorbenem Essen; Traumatische Kindheitserfahrungen.
    - Kann als „der große Teil des Eisbergs“ betrachtet werden, während das explizite Gedächtnis die sichtbare Spitze darstellt.

Diese beiden Systeme arbeiten eng zusammen, jedoch können Störungen im impliziten Gedächtnis – beispielsweise aufgrund von Trauma – emotionale Regulation erschweren. Und genau bei diesem Problem gibt es gewisse Hirnareale, die dafür wichtig sind.

Amygdala und Hippocampus im Vergleich

Die Amygdala und der Hippocampus spielen in diesen Prozessen eine entscheidende Rolle.  Wusstest du dass der Hippocampus auch ein Seepferdchen sein könnte. Die Seepferdchen gelten als intelligent und freundlich, verletzen andere nicht und entspannen sich gerne. Nachfolgend eine Gegenüberstellung der beiden Hirnregionen:

AmygdalaHippocampus
ImplizitExplizit
UnbewusstBewusst
GeneralisiertDiskriminiert bzw. differenziert
Bereits vor der Geburt vorhandenEntwickelt sich ab dem 2. Lebensjahr
Keine ZeitauffassungGutes Zeitverständnis; arbeitet mit dem Präfrontalen Cortex zusammen
Verarbeitet soziale und emotionale Eindrücke und übersetzt sie in körperliche ReaktionenVerarbeitet bewusste, logische und differenzierte Eindrücke
Primär auf Überleben fokussiert (z. B. bei Annäherungs-Vermeidungs-Verhalten)Essenziell für Verfeinerung von Handlungen
Arbeitet im HintergrundArbeitet im Vordergrund
BindungsverhaltenIdentität

In dieser Tabelle wird verdeutlicht, dass die Amygdala primär für emotionale Reaktionen und Überlebensmechanismen zuständig ist, während der Hippocampus bewusste Entscheidungen und das logische Erinnern unterstützt.

Auswirkungen auf Therapie und mentale Gesundheit

Ein depressiver Mensch ist oft von negativen Emotionen überwältigt, wodurch die Amygdala überaktiver und der Hippocampus beeinträchtigt wird. Dies kann:

  • Die Stressregulation erschweren.
  • Entscheidungen negativ beeinflussen.
  • Die Hirnstruktur langfristig schädigen (z. B. Schrumpfung des Hippocampus).

Eine effektive Therapie zielt darauf ab, eine Balance zwischen Amygdala und Hippocampus zu schaffen. Laut Cozolino sind gute Therapeuten in der Lage, die Amygdala verbal zu beruhigen (Top-Down-Ansatz), während körperliche Methoden wie Feldenkrais oder Meditation einen Bottom-Up-Ansatz bieten.

Feldenkrais: Eine Methode zur Selbstorganisation

Techniken wie Yoga, Meditation und Feldenkrais können helfen, implizite Erinnerungen durch Bewegung und Körperbewusstsein zu verarbeiten. Laut Moshé Feldenkrais (1987) können wir durch die bewusste Koordination von Muskelgruppen emotionale Muster beeinflussen. Angst, die oft mit Beugemuskeln und Bewegungseinschränkung einhergeht, kann durch solche Methoden reduziert werden.

Feldenkrais lehrt:

  • Effizienz in der Bewegung.
  • Bessere Selbstwahrnehmung.
  • Neue emotionale und körperliche Muster, die das allgemeine Wohlbefinden steigern.

Fazit

Die Verbindung von Amygdala und Hippocampus ist essenziell für mentale Gesundheit. Durch die Kombination aus Therapie und körperlichen Methoden wie Feldenkrais können alte Muster durchbrochen und neue neuronale Verknüpfungen geschaffen werden.

Literatur:

  • Cozolino, Louis (2016). Why Therapy Works. New York: W.W. Norton & Company
  • Feldenkrais, Moshé (1987) Die Entdeckung des Selbstverständlichen. Berlin: Suhrkamp Taschenbuch

Bilder: