Wie unser Mindset den Körper beeinflusst, ist nicht erst seit gestern ein interessantes Thema. Schon Platon unterschied zwischen der Welt der Ideen (das wäre dann wohl MIND) und der sinnlich erfahrbaren Welt (Materie = MATTER = unser Körper mit all dem was dazugehört. Ich meine damit Bewegung). Die materielle Welt ist nach Platon nur ein Abbild der wahren, geistigen Ideenwelt. In gewisser Weise könnte man dies als eine frühe Form der Idee sehen, dass unser Geist die Realität prägt. Unser Geist prägt also die Realität. Das ist ja spannend. Schauen wir uns das mal genauer an.
Ein Gedanke genügt, um den Körper zu verändern
Stell dir vor, du genießt einen cremigen, reichhaltigen Milchshake. Allein die Vorstellung lässt dein Belohnungssystem anspringen, dein Körper bereitet sich darauf vor, Kalorien zu verarbeiten. Doch was, wenn dir gesagt wird, dass dieser Shake eigentlich ein Diätprodukt mit minimalen Kalorien ist? Dein Körper reagiert plötzlich ganz anders. Klingt unglaublich? Genau das wurde wissenschaftlich nachgewiesen: Unsere Gedanken beeinflussen physiologische Prozesse.
Die Wissenschaft dahinter: Mind Over Milkshakes
Eine bahnbrechende Studie von Alia Crum und Kollegen (2011) untersuchte, wie Erwartungen unsere physiologische Sättigungsreaktion steuern. Teilnehmer tranken denselben 380-Kalorien-Milchshake an zwei verschiedenen Tagen, doch mit einer entscheidenden Manipulation: Einmal glaubten sie, es handle sich um einen sündigen 620-Kalorien-Shake, einmal um eine gesunde 140-Kalorien-Variante. Das Ergebnis war erstaunlich: Die sogenannte Ghrelin-Konzentration, ein Hormon, das Hunger reguliert, sank signifikant stärker, wenn die Teilnehmer glaubten, eine kalorienreiche Variante getrunken zu haben. Ihr Körper zeigte also eine Sättigungsreaktion, die nicht von der tatsächlichen Kalorienzahl, sondern von ihrer Erwartung abhing.
Theorie der Studie
Die Studie untersuchte also, ob die physiologische Sättigung, gemessen durch das Hungerhormon Ghrelin, nicht nur von der tatsächlichen Nährstoffaufnahme, sondern auch von der psychologischen Erwartungshaltung („Mindset“) beeinflusst wird. Ghrelin ist ein Hormon, das vom Magen produziert wird und den Hunger reguliert. Normalerweise steigen die Ghrelin-Werte vor einer Mahlzeit an und sinken nach dem Essen wieder ab, sobald der Körper genug Nährstoffe aufgenommen hat. Frühere Forschung deutet darauf hin, dass Erwartungen die Wahrnehmung von Geschmack, Sättigung und sogar körperliche Reaktionen beeinflussen können. Beispielsweise genießen Menschen ein Getränk mehr, wenn es in einem Markenbecher serviert wird, oder sie empfinden ein Lebensmittel als gesünder, wenn es als “light” deklariert ist. Die Autoren dieser Studie wollten herausfinden, ob solche psychologischen Effekte auch eine direkte physiologische Auswirkung auf das Sättigungshormon Ghrelin haben. Was haben sie dafür getan?
Durchführung der Studie
46 Personen im Alter von 18 bis 35 Jahren, mit einem durchschnittlichen BMI im Normal- bis Übergewichtsbereich wurden durch Aushänge für eine „Shake-Tasting-Studie“ angeworben. Die Ausschlusskriterien waren Diabetes, Schwangerschaft und Nahrungsmittelallergien. Dann startete das Experiment. Es gab zwei Sitzungen à 2,5 Stunden im Abstand von einer Woche. Die Teilnehmer tranken in beiden Sitzungen denselben 380-Kalorien-Milchshake. Wo war nun der entscheidende Unterschied? In einer Sitzung wurde ihnen gesagt, dass der Shake genussvoll und kalorienreich (620 kcal) sei. In der anderen Sitzung wurde der Shake als gesund & kalorienarm mit nur 140 kcal beschrieben.
Die Messung von Ghrelin fand vor der Shake-Betrachtung (Baseline, 20 min), während der Erwartungsphase (60 min) und nach der Shake-Konsumation (90 min) statt. Die Reihenfolge der Shakes (erst genussvoll oder erst gesund) wurde zufällig bestimmt. Was haben Crum und Kollegen herausgefunden?
Ergebnisse der Studie
- Stärkere Ghrelin-Senkung bei der GENUSSVOLL-Bedingung:
—> Wenn Teilnehmer glaubten, einen kalorienreichen Shake zu trinken, sank ihr Ghrelin-Spiegel nach dem Konsum signifikant.
—> Wenn sie glaubten, einen kalorienarmen Shake zu trinken, blieb der Ghrelin-Spiegel nahezu konstant oder sank nur leicht. - Die Sättigung entsprach der Erwartung, nicht der tatsächlichen Kalorienaufnahme.
—> Obwohl beide Shakes identisch waren, signalisierte der Körper bei der GENUSSVOLL-Bedingung eine stärkere Sättigung.
—> Dies deutet darauf hin, dass nicht nur die objektive Nährstoffaufnahme, sondern auch die subjektive Wahrnehmung die physiologische Sättigungsreaktion beeinflusst.
Was heißt das nun für das echte Leben?
- Ernährung und Gewichtsmanagement:
- Die Ergebnisse zeigen, dass unsere Einstellung zum Essen physiologische Prozesse beeinflusst. Wer denkt, dass er nur eine leichte Mahlzeit zu sich genommen hat, könnte biologisch weniger gesättigt sein und später mehr essen.
- Kalorienangaben und „Diät“-Label könnten paradoxerweise dazu führen, dass Menschen mehr Hunger verspüren und später mehr essen. - Marketing und Lebensmittelkennzeichnung:
- Die Studie legt nahe, dass „gesunde“ Labels (z. B. „low-fat“) dazu führen können, dass Menschen sich weniger satt fühlen – unabhängig davon, was sie tatsächlich gegessen haben.
- Unternehmen könnten solche psychologischen Effekte ausnutzen, um den Konsum ihrer Produkte zu steuern. - Psychologie des Essverhaltens:
- Wer sich bewusst macht, dass er etwas „Genussvolles“ isst, könnte sich schneller satt fühlen, selbst wenn die Nährwerte gleich bleiben.
- Eine positive Erwartungshaltung könnte helfen, bewusster zu essen und das Sättigungsgefühl zu optimieren.
Fazit
Diese Studie zeigt eindrucksvoll, dass unser Mindset eine zentrale Rolle in der Regulation von Hunger und Sättigung spielt. Die biologische Reaktion auf Nahrung wird nicht nur durch deren Nährwerte gesteuert, sondern auch durch die Erwartung, die wir mit dem Essen verbinden. Dies hat weitreichende Konsequenzen für Diäten, Ernährungsberatung und sogar für die Gestaltung von Lebensmittelkennzeichnungen. Ich könnte nun aber auch mit der Erwartung arbeiten. Wie könnte dies aussehen?
Imaginationstherapie: Die Macht der Vorstellung nutzen
Diese Erkenntnis deckt sich mit Prinzipien der Imaginationstherapie, die zeigt, dass sich der Körper allein durch gedankliche Vorstellungen verändern kann. In der Psychologie wird diese Technik genutzt, um psychische und physische Reaktionen hervorzurufen, etwa durch mentales Training oder Visualisierungstechniken, die Muskelspannung oder Entspannung steuern können. Sportler nutzen dies bereits längst, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern.
Mind Over Matter: Gedanken formen Realität
Das Konzept "Mind Over Matter" besagt, dass unsere innere Überzeugung und unser Fokus den Körper lenken können. Dies gilt nicht nur für Hunger und Sättigung, sondern auch für Emotionen, Heilungsprozesse und die allgemeine Gesundheit. Menschen, die eine positive Einstellung zu Bewegung haben, profitieren nachweislich mehr von körperlicher Aktivität, selbst wenn sie sich nicht objektiv mehr bewegen. Gedanken können also biochemische Prozesse anstoßen, die unser Wohlbefinden verbessern.
Gedanken als Werkzeug für mehr Körperbewusstsein
Die Erkenntnis, dass unser Mindset körperliche Prozesse lenkt, ist ein kraftvolles Werkzeug. Wir können lernen, bewusster mit unseren Gedanken umzugehen, um Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und sogar Heilung zu fördern. Ob durch bewusstes Genusserleben, Visualisierung oder achtsames Denken. Die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen, bestimmt letztlich, wie unser Körper darauf reagiert. Nutzen wir dieses Wissen, um uns selbst aktiv zu unterstützen und unsere Gesundheit zu fördern.
Literatur:
- Crum, A. J., Corbin, W. R., Brownell, K. D., & Salovey, P. (2011). Mind over milkshakes: mindsets, not just nutrients, determine ghrelin response. Health psychology : official journal of the Division of Health Psychology, American Psychological Association, 30(4), 424–431. https://doi.org/10.1037/a0023467
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