Derzeit herrscht ein Übermaß an Artikeln, welche Yoga und Pilates befürworten. Mach doch mal einen Test und gebe “5 Gründe für Pilates/Yoga” in Google ein und lasse dich überraschen, was alles erscheint. Suchst du nach fünf Gründen, sieben Gründen oder auch zehn Gründen für Feldenkrais, werden du womöglich feststellen, das hierfür nicht so viel zu finden ist. Aus diesem Grund habe ich mir vorgenommen, mal drei Gründe für die Feldenkrais Methode in einem Artikel zu nennen, die womöglich die meisten bzw. fast alle Menschen ansprechen, denn jeder findet sich unter einem der drei Gründe wieder. Hier zu Beginn die Gründe:

Grund 1: Zu sich finden, bzw. bei sich sein

Grund 2: Verbesserung der Performance/Leistung/Bewegung

Grund 3: Reduktion von Schmerzen/Verspannungen/Stress

Bevor ich näher auf die genannten Gründe eingehe, lese dir bitte den folgenden zitierten Text durch.

“Einfache Handlungsabläufe basieren auf einfachen Motiven. Beim Erwachsenen allerdings gibt es kaum eine Handlung, die wirklich einfach wäre. Es werden nicht nur Bewegungen ausgeführt, derer man sich bewußt ist; manche Bewegungen passieren und werden erst anschließend erkannt, andere wiederum geschehen sozusagen unbewußt oder besser gesagt: unerkannt. Es ist schwer zu glauben, wie wenig man über sich selbst weiß, bevor man wahrnimmt, was sich abspielt. Unter solchen Handlungen lassen sich, entsprechend dem Weg und dem Ursprungsgebiet der Nervenimpulse, die den Muskel aktivieren, drei Hauptarten unterscheiden:

  1. reflektorisch ausgeführte Handlungen, welche dem Nervensystem aufgrund seiner evolutionären Erfahrungen angeboren sind,
  2. gewohnheitsmäßig ausgeführte und konditionierte Handlungen, die durch persönliche Erfahrungen geformt worden sind und die von höheren Nervenzentren aus unterdrückt, inhibiert und reguliert werden müssen, sowie
  3. zyklisch stereotype Handlungen, welche in Erscheinung treten, wenn die höheren Bewußtseinszentren geschwächt sind. In der Reflexhandlung erkennt man subjektiv keinen Beweggrund; so kann man nicht spüren, wenn sich die Pupillen bei Tageslicht kontrahieren. In der gewohnheitsmäßig ausgeführten und bei der konditionierten Handlung fühlt man oder kann man zumindest den Beweggrund des Bewegungsablaufs entdecken. Die zyklisch stereotype Handlung ist ein mechanisches Phänomen der niederen Gehirnzentren, und man sollte nicht nach dem Beweggrund Ausschau halten, sondern nach dem Mechanismus, der sie auslöst.

Die ideale bewußte Handlung aber entspricht einem klar erkennbaren, einmaligen Beweggrund. Die bewußte Handlung ist mono-motiviert, und das Handlungsgeschick besteht darin, die Fähigkeit zu erwerben, alle parasitären Elemente zu inhibieren und auszuschließen, welche dazu tendieren, aus Gewohnheit, aus Konditionierung und aus stereotyp ablaufenden Bewegungsmustern heraus selbständig aufzutreten. Meistens gelingt es nicht, etwas zu erreichen, weil eher mehr getan wird als einem bewußt ist, und seltener deswegen, weil man das Wesentliche nicht verstanden hat. Dies gilt vor allem beim Erlernen neuer Fähigkeiten. Man spannt die Muskeln an und erzeugt damit eine beträchtliche Anzahl unnötiger und widersprüchlicher Handlungselemente; erst später kann man einschätzen, um wieviel mehr man getan hat als eigentlich gewollt war. Man könnte sofort schwimmen, wenn man nur jene Bewegungen ausführte, die zum Schwimmen nötig sind. Der Experte im Schwimmen produziert nur jene Bewegungen, die gewollt sind, und darin liegt sein Können; sein Tun entspricht einem klaren Motiv – und nur diesem einem Motiv. Während einer Lernphase treten gewohnheitsmäßige andere, nur schwach erkennbare Beweggründe auf. Das Wesentliche beim Lernen liegt daran, diese ungewollten subtilen Beweggründe zu erkennen und von ihnen abzulassen.” (Wallner, 2000)

Wenn du jetzt von diesem Text gewisse Textpassagen den folgenden drei Gründen zuordnen müsstest, welche Textpassagen würdest du wohin einordnen? Lese gegebenenfalls den oben stehenden Text noch einmal durch.

Grund 1: Zu sich finden, bzw. bei sich sein

Wir werden als menschlicher Organismus geboren. Die ersten Lebensjahre sind ganz der Entwicklung gewidmet, bis zu dem Punkt, an dem wir in den Kindergarten kommen. Da können wir dann mehr oder weniger reden, und motorische Fähigkeiten ausführen, also Objekte manipulieren und uns von A nach B bewegen. Reflektorisch ausgeführte Handlungen sind unserer Gattung Mensch innewohnend. Anders sieht es bei den konditionierten Handlungen aus, welche sich von Mensch zu Mensch unterscheiden, abhängig von der individuellen Geschichte und vor allem damit, wie damit umgegangen wird. Der dritte Bereich ist allerdings der interessanteste, der Bereich der zyklisch stereotypen Handlung. Hier kommt nämlich der Bereich der Selbsterziehung mit ins Spiel. Der dritte Bereich hilft uns dabei, uns zu finden und bei uns zu bleiben. Viele Menschen stecken heute in einer Sinnkrise, sie wissen nicht so recht, wer sie sind und was sie wollen, deswegen kommt es ganz recht, einfach eine Maske aufzusetzen und ein fremdes Leben zu führen. Das mag ja auch alles funktionieren, bis zum ersten Termin beim Therapeuten oder bis zum ersten Burn-Out oder der aufkeimenden Depression. Wie geht es nun weiter? So weitermachen wie bisher ist nicht wirklich eine Lösung. Es muss sich etwas ändern, denn wenn sich nichts ändert, können wir auch nichts anderes erwarten, als die immer wiederkehrende Gleichheit der Langeweile, des Schmerzes, des Nicht-mehr-Aushalten-Wollens. Wo fangen wir an? Wir fangen bei der Bewegung an und versuchen mit Feldenkrais Bewegungsmuster zu erkennen. Wenn wir dies schaffen, versuchen wir alternative Handlungsweisen, also alternative Bewegungsmuster zu erforschen und zu vergleichen mit unser gewohnten Bewegung. Wir unterbrechen unsere Bewegungen, machen sie zum Thema. Dies funktioniert über die Differenzierung, also das Herausfinden von “was tut sich in der linken Schulter, wenn ich den rechten Fuß so oder so bewege”. Das war natürlich nur ein Beispiel. Jede Feldenkrais Lektion stellt uns vor die Herausforderung, uns jedes mal aufs Neue näher kennenzulernen.

Moshé Feldenkrais hatte sich schon etwas dabei gedacht, als er sagte, dass wir bei einer Handlung immer vier Elemente haben:

  1. die Bewegung
  2. das Gefühl
  3. den Gedanken
  4. die Wahrnehmung.

Keine von den 4 Elementen entsteht im luftleeren Raum. Sie erscheinen alle gleichzeitig in einem Raum-Zeit-Kontinuum. Und genau das ist das schöne daran. Es geht nicht um flexible Körper, sondern um flexible Gehirne. Wenn du Feldenkrais machst, dann deshalb um deine Selbstorganisation zu verbessern. Mit der bewegungsorientierten Selbstorganisation verbessern sich auch Gedanken,- und Gefühlsstrukturen. Einfach so! Denn Gefühle stecken uns regelrecht in den Knochen. Du machst dich selbst zum Thema und startest damit einen Prozess, welcher kein Ende in Sicht hat, denn es gibt immer etwas neues zu lernen. Dadurch, dass du dich selbst zum Thema machst, findest du erstens mehr über dich heraus und zweitens, bist du mehr bei dir. Vielleicht ist dies ja der Grund, warum du Feldenkrais angefangen hast.

Grund 2: Verbesserung der Performance/Leistung/Bewegung

Es ist vollkommen egal, welchen Sport du verfolgst: Golf, Fussball, Klettern, Schwimmen, Laufen, Capoeira, Contact Improvisation, Yoga, Gewichtheben, etc. Oder ob du anderweitig mit Bewegung in Kontakt kommst, sei es im Tanz, Theater, Outdoor Aktivitäten, körperliche Therapieformen. Alle diese Tätigkeiten gründen auf grundlegenden Bewegungsmustern, welche wir im Kindesalter lernen, manchmal besser, manchmal schlechter. Hast du schon mal ein Kind an einer Kletterwand klettern sehen. Die machen das mit Leichtigkeit. Ich sah für eine sehr lange Zeit jede Woche mehrere Male Kinder klettern und wunderte mich jedes Mal aufs Neue. Oder im Sommer auf der Wiese, wenn sie Räder schlagen oder Handstand üben. Sagenhaft! Wo sind denn all diese Fähigkeiten hingekommen? Plötzlich waren sie weg. “Use it or loose it!”. Wenn wir eine gewisse Performance nicht vollbringen können, liegt dies unter anderem daran, dass keine Mono-Motivation vorhanden ist, d.h. dass wir unnütze Muskeln für eine gewisse Bewegung anspannen, welche wir nicht notwendigerweise brauchen. In einer mono-motivierten Handlung sind keine parasitären Bewegungen anwesend.

Moshé Feldenkrais bringt immer das Beispiel mit dem Schwimmen. Schmeißen Sie jemand ins Wasser (3 Meter Tiefe) und schauen zu was passiert. Wird er ertrinken? Wenn ja, warum ertrinkt er? Hat es etwas mit Angst zu tun? Durch diese Angst verliert er sämtliche körperlichen Fähigkeiten, die unter normalen Umständen abrufbar wären. Hat es eventuell damit zu tun, dass er zu viel von dem tut, was nicht nötig ist, und deswegen untergeht? In der Performance, sollte diese schlechter ausfallen, sollten wir uns daher fragen, welche kleinen feinen Änderungen wir vornehmen können, um die Performance auf ein Maximum zu perfektionieren. Ich merkte dies beim Klettern. Kräftige Arme sind zwar ganz nett, doch alleine kräftige Arme zu haben nutzen mir bei diesem Sport wenig, sollte ich über einen gewissen Schwierigkeitsgrad hinauskommen. Der neue Schwierigkeitsgrad hat dann viel mit Technik zu tun, was ich wann, in welche Richtung und wie bewege.

Grund 3: Reduktion von Schmerzen/Verspannungen/Stress

Wenn dich die beiden erstgenannten Gründe nicht ansprechen, dann vielleicht der dritte und letzte Grund. Es gibt, denke ich mal, auf der ganzen Welt, keinen einzigen Menschen, welcher eine dieser drei Empfindungen - Schmerzen, Verspannungen, Stress - nicht mindestens einmal in seinem Leben empfunden hat. Manchen Menschen werden diese Empfindungen jeden Tag zu Teil. Dann wäre es mal an der Zeit, darüber nachzudenken, etwas anderes zu tun. Und genau hier setzt Feldenkrais an. Jeder Mensch hat seine üblichen Bewegungsmuster. Für eine lange Zeit mögen diese auch gut und nützlich sein, doch irgendwann machen sich Verspannungen breit, die Vorboten der Schmerzes. Das wäre dann allerdings schon das letzte Stadium. Schlimmer wird es wahrscheinlich nicht mehr, außer es kommt die Lähmung durch z.B. einen Bandscheibenvorfall. Da kann ich ein Lied von singen, ist wirklich keine schöne Zeit gewesen. Aber, es war für mich eine unglaubliche lehrreiche Zeit. Der Schmerz sprach mit mir und teilte mir so viel mit. Das hätte ich ohne Schmerz wahrscheinlich nie gelernt.

Nun gilt es die eigenen Bewegungsmuster zu verstehen, diese Muster zu unterbrechen und neue bessere Muster kennenzulernen und zu integrieren. Gedanken und Gefühle, welche auch einen gewissen Stress auslösten, werden sich mit Änderung der Bewegungsmuster auch ändern. Dies erwähnte ich vorher bereits. Die Muskulatur zusammen mit dem Nervensystem dient jetzt dazu einen Lernprozess anzustoßen, der wahrscheinlich nicht über Nacht beendet ist. Eine Sprache hat man ja schließlich auch nicht über Nacht gelernt. Es lohnt sich diesen Prozess anzustoßen, allein schon der Tatsache wegen, die Schmerzen beseitigen zu wollen.

Jetzt habe ich dir drei Gründe gegeben, warum Feldenkrais eine coole Methode ist. Es gibt sicher noch unzählige andere Gründe, aber belassen wir es mal dabei, denn hier wird sich “garantiert” fast jeder wiederfinden.

Literatur:

  • Wallner, Gerhard (2000). Wahrnehmen und Lernen. Paderborn: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung