“Eine Kultur kann nur an ihrer eigenen Schwäche sterben.” André Malraux

Die Stärken einer Kultur können gleichzeitig die Schwächen einer anderen Kultur darstellen. Ich befinde mich in der westlichen Kultur, in Deutschland, einem Land, in dem sich Menschen nun mal so bewegen, wie sie das eben tun. Zu einem gewissen Teil sitzen wir und manchmal stehen wir auch, und stehen uns dabei die Beine in die Hüfte bis diese steif wird.

Manchmal tanzen wir auch und spielen mit kleinen Kindern auf dem Boden. Doch, ganz ehrlich, wie oft kommt dieses Tanzen und Spielen vor, jeden Tag für 60 Minuten? Ich gehe mal von einem “Nein” aus. Es mag bestimmt auf manche Menschen zutreffen und vielleicht schaffen es diese Menschen auch für 120 Minuten pro Tag. Andere Kulturen haben sich diese Fähigkeiten in den Alltag integriert und schaffen sich somit einen ungemeinen Benefit für ein gesundes Älterwerden. In Afrika oder Indien zum Beispiel ist es keine Seltenheit in der tiefen Hocke zu sitzen und vielfältige Dinge zu tun, vom Entspannen bis hin zum Arbeiten.

Diese Schulung der Koordination, Kraft und Mobilität trägt dazu bei, dass sich über Zeit weniger bis keine Kompensationen aufbauen. Diese Kulturen haben sich eine gesunde Aufrichtung zur Priorität gemacht, sei es eine Schale auf dem Kopf zu tragen oder von A nach B zu rennen, einfach so. Die Frage, ob diese Kulturen das aus Kalkül gemacht haben oder ob es eine integrative Leistung der kulturellen Gegebenheiten ist, lässt sich bestimmt beantworten. Eine Mischung aus beiden, denke ich, stellt eine mögliche Annäherung an eine Antwort dar.

Ich könnte jetzt bis ins Unendliche weiterreden, aber ich denke, du kannst das Bild das ich versuche zu zeichnen, nachvollziehen. Die liebe Haltung, sie ist nichts statisches und auch nichts monokausales. Es gibt nicht den einen Grund, warum Haltung eventuell schlecht ist und wie würden wir dann "schlecht" definieren? Haltung ist an mehrere Faktoren gebunden. Anbei mal ein paar Faktoren, welche sich auf die Haltung auswirken.

Faktoren, welche die Haltung beeinflussen

  • Es fängt mal damit an wie du dich siehst. Siehst du dich als Maschine, z.B. als Porsche oder siehst du dich als Pflanze, z.B. als Eiche. Je nachdem welches Bild du als Imagination heranziehst, desto mehr wirst du zu diesem Bild werden. Es könnten auch mehrere Steine sein, welche aufeinander ausbalanciert sind. Wie wäre es mit einem Bambusbaum, welcher sich dem Winde hingibt, aber nicht bricht? Oder einem Erdmännchen? Lustig, diese Tiere, oder?
  • Unser Skelett gibt natürlich gewisse Dinge vor. Wir, als Menschen mögen, verglichen mit dem Fisch, dem Pferd und dem Hund, zwar ein ähnliches Skelett haben, obwohl sich dieses auch von Mensch zu Mensch unterscheidet. Der Winkel, mit dem der Oberschenkelkopf in der Hüftpfanne sitzt, die Ausprägung unserer Beckenschaufeln, die Schulterblätter usw.
  • Das liebe soziale Erbe wäre ein weiterer Faktor. Lebst du in einem benachteiligten Viertel, ohne die tägliche Sicherstellung der Grundbedürfnisse oder in einem gehobenen Stadtviertel in einem Haus mit mehreren Schlafzimmern und intellektuellen abendlichen Tischgesprächen. All dies wird sich auf deine geistige und auch körperliche Tätigkeit auswirken. Manchmal auch zum Nachteil.
  • Zwischen körperlicher und geistiger Tätigkeit besteht in soweit eine Korrelation, dass der eine Zustand (geistig) den anderen Zustand (körperlich) beeinflusst und umgekehrt. Es lässt sich nicht zu hundert Prozent sagen, dass du in einer der beiden Zustände besser aufgehoben wärst. Vielleicht lässt sich dies im Bezug auf Bildung sagen, jedoch nicht was die Haltung betrifft.
  • Dein derzeitiger emotionaler Zustand hat große Auswirkungen auf deine Haltung, vor allem auf deinen Tonus. Betrachte dich mal im Spiegel von vorne und von der Seite, an Tagen mit mieser Laune oder Depression und mache das auch an Tagen voller Euphorie oder Entspanntheit. Es wird ein Unterschied vorhanden sein, vielleicht größer als du zu denken vermagst.
  • Die Haltung, welche du heute mit dir herumträgst, entsteht nicht aus einem luftleeren Raum. All die Dinge, welche du gestern getan hast und auch die Tage, Wochen und Monate davor, haben einen Einfluss auf deine heutige Haltung.
  • Wer kennt es nicht, Morgensteifigkeit? Die Art und Weise wie du schläfst, wirkt sich auf deine Haltung aus. Es ist nicht notwendigerweise die Länge des nächtlichen Schlafes, sondern die Qualität, gemessen an Schlafunterbrechungen während der Nacht.
  • Dann wäre da noch die Organisation verschiedener Systeme, wie zum Beispiel die Augen, der Gleichgewichtssinn im Innenohr, und die Muskeln, welche dir nonstop über deine Lage im dreidimensionalen Raum Aufschluss geben.
  • Nicht zu vernachlässigen wäre unser Klima. Deine Haltung wird eine andere sein bei Minus 20 Grad in Moskau oder bei Plus 40 Grad in Dallas. In Dallas wirst du zwar nicht frieren, jedoch kann Hitze sich auch abträglich auf die Haltung, bzw. die Bewegung auswirken, insofern, dass du einfach keine Lust hast auf Bewegung und lieber im klimatisierten Wohnzimmer auf der Couch liegst. Das wäre definitiv keine gute Alternative, außer sie wäre nicht auf Dauer.
  • Gehe mal zurück in deine Kindheit. Deine Haltung mag perfekt gewesen sein, doch da waren all die anderen Menschen, welchen du eventuell versucht hast zu imponieren, indem du sie imitiert hast.

Auch hier könnte ich noch weitere Gründe finden, doch ich denke, dass diese Gründe dir zumindest mal einen guten Überblick geben, was alles mit Haltung zu tun hat. Als nächstes möchte ich auf die anatomischen Ebenen und Achsen eingehen.

Ebenen und Achsen

Menschliche Bewegung findet auf drei Ebenen statt. Siehe auch dazu das Bild weiter unten. Da wäre die Sagittalebene. Wenn du deinen Arm hängen lässt und nun im Ellbogen anwinkelst, als wenn du eine Tasse Tee hältst, dann passiert dies in der Sagittalebene. Auch wenn du durch das Wasser watest, hebst du dein Bein weiter nach oben als sonst. Dies passiert auch auf der Sagittalebene, sowie auch alltägliche Dinge, z.B. das Hinsetzen/Aufstehen auf einen Stuhl. Du kannst es dir so vorstellen. Du betrachtest einen Menschen von der Seite, links oder rechts, vollkommen egal. Dieser Blickwinkel stellt diese Ebene dar.

Eine weitere Ebene ist die Frontalebene. Hier siehst du einen Menschen von vorne an. Wenn du deinen Arm oder dein Bein wie eine Prima Ballerina zur Seite abspreizt, so passiert dies in der Frontalebene. Es gibt jedoch auch Alltagsbewegungen, welche in dieser Ebene stattfinden. Stelle dir vor, du sitzt auf einem Stuhl und dir fällt ein Stift genau links neben dir auf den Boden. Der Stift ist nicht so weit weg, somit reicht es auch wenn du deinen Oberkörper seitlich nach links beugst, d.h. deine linke Oberkörperseite zieht sich zusammen, deine rechte Oberkörperseite zieht sich auseinander. Dein Arm greift nun nach dem Stift. Die Bewegung des Oberkörpers fand in der Frontalebene statt.

Zuletzt gibt es noch die Transversalebene. Stelle dir vor, du stehst auf dem Fußboden und drehst deinen Körper, um die eigenen Achse um nach hinten über die Schulter zu schauen. Diese Bewegungen, vorwiegende Rotationen, finden auf der Transversalebene statt. Diese Bewegungen finden sich in verschiedensten Sportarten. Sehr oft wirst du es im Boxen sehen oder auch im Tanz.

Körperebenen im Raum: Sagittalebene (rot), Frontalebene (blau) und Transversalebene (grün)

Zu den Achsen sei folgendes gesagt. Jede Ebene hat eine Achse. Diese Achse steht immer senkrecht auf der Ebene. Das einfachste Beispiel wäre die Transversalebene, welche du dir auch als Fußboden vorstellen kannst. Jetzt stelle dir ein Lot von deinem Schädeldach bis runter zum Boden vor. Dieses Lot würde die Longitudinalachse darstellen, um die du dich drehst. So steht auch auf der Sagittalebene und der Frontalebene jeweils eine Achse im rechten Winkel zur Ebene. Um diese Achsen bewegst du dich.

Haltung bewusst machen und aktiv ändern

Um den ganzen einen kleinen Charakter einer Studie zu geben, probiere doch mal etwas aus. Wenn du wieder mal eine Feldenkrais Lektion machst, tanze mal danach. Dies kannst du natürlich auch tun, wenn du keine Lektion machst. Entscheide selbst. Gibt es beim Tanzen einen Unterschied, der den Unterschied macht und falls ja, worin genau besteht dieser Unterschied?

Ich persönlich hörte mir folgendes Lied von Hindi Zahra dazu an. Achtung!!! Geschmack ist subjektiv 😉

Du musst nicht dieses Lied anhören. Wähle ein Lied nach deinem Geschmack.

Fazit

Es könnte sein, dass sich Leichtigkeit in deiner Selbstorganisation spüren lässt. Diese Leichtigkeit bezieht sich auf deine Bewegung in den drei Ebenen und um die drei Achsen. Diese entspannte und eventuell auch sehr aufrechte Haltung kann zu einer wahrnehmbaren Reduktion deiner Muskelspannung führen, aufgrund der verbesserten Selbstorganisation. Du könntest jetzt ein besseres Verständnis von deinem Körper im Raum haben, was Dir dabei hilft dich leicht zu jeder Zeit in alle Richtungen zu bewegen.

Bilder:

  • Foto von Dušan veverkolog auf Unsplash
  • Das Bild mit den verschiedenen Ebenen ist von: https://de.wikipedia.org/wiki/Sagittalebene