Kennst du das? Dieses Gefühl, für das Wohlbefinden anderer verantwortlich zu sein? Vielleicht merkst du es, wenn du die Erwartungen deiner Familie erfüllst, um Konflikte zu vermeiden, oder wenn du im Job mehr übernimmst, als du eigentlich kannst, um niemanden zu enttäuschen. Oder vielleicht spürst du es, wenn du einem Freund helfen willst, der in einer Krise steckt, auch wenn es dich selbst auslaugt.
Diese Verhaltensmuster sind tief in uns verwurzelt. Sie kommen nicht von ungefähr, aber sie haben auch Konsequenzen – für dich und dein Leben. Lass uns gemeinsam anschauen, warum es so schwerfällt, bei sich selbst zu bleiben, und wie du wieder zurück zu dir finden kannst.
Warum glauben wir, für andere verantwortlich zu sein?
Es ist einmal unsere soziale Natur. Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wurden über Jahrtausende darauf konditioniert, in Gemeinschaften zu leben und füreinander da zu sein. Diese Fähigkeit zur Empathie ist etwas Wunderbares – sie verbindet uns miteinander und macht uns menschlich. Aber manchmal gerät sie aus dem Gleichgewicht. Hast du jemals bemerkt, dass du dich unwohl fühlst, wenn jemand in deinem Umfeld traurig oder wütend ist? Es liegt in unserer Natur, solche Gefühle ausgleichen zu wollen. Doch das Problem entsteht, wenn wir glauben, dass wir allein dafür verantwortlich sind.
Dann gäbe es noch gesellschaftliche Normen und Erwartungen. Vielleicht hast du als Kind gelernt, dass negative Gefühle nicht sein dürfen. Viele von uns wachsen in Umfeldern auf, in denen Wut, Traurigkeit oder Enttäuschung unterdrückt werden. Stattdessen wird erwartet, dass wir stark sind, funktionieren und für Harmonie sorgen. Dieses Muster setzen wir oft unbewusst als Erwachsene fort. Die Gesellschaft verstärkt diese Haltung: Hilfsbereitschaft und Selbstlosigkeit werden oft gefeiert, während Selbstfürsorge oder klare Grenzen schnell als egoistisch abgestempelt werden. Aber ist das wirklich so?
Jetzt wird es psychologisch: Die Retter-Rolle kann manchmal ganz schön gefährlich werden. Vielleicht hast du schon einmal das Gefühl erlebt, gebraucht zu werden. Es kann unglaublich bestärkend sein, wenn jemand sagt: „Ohne dich hätte ich das nicht geschafft.“ Doch diese Rolle birgt auch Gefahren. Denn sie kann dich in eine Dynamik hineinziehen, in der du dich nur wertvoll fühlst, wenn du für andere da bist. Und dabei verlierst du dich selbst.
Warum loslassen etwas WUNDERBARES ist
Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit. So schwer es auch zu akzeptieren ist: Du kannst nicht für die Gefühle anderer verantwortlich sein. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Erfahrungen und seine eigene Wahrheit. Wenn jemand auf dich wütend ist, liegt das oft mehr an ihm oder ihr als an dir. Stell dir vor, du bist ein Spiegel. Du kannst Gefühle in anderen auslösen, aber du bist nicht die Ursache. Vielleicht löst du etwas in ihnen aus, das schon lange in ihnen schlummert – etwas, das mit dir nichts zu tun hat.
Loslassen ist eine Wachstumschance für andere. Wenn du immer einspringst, wenn du immer löst und rettest, nimmst du anderen die Chance, selbst zu wachsen. Vielleicht ist es nicht deine Aufgabe, immer die Antwort zu haben oder die Last zu tragen. Indem du loslässt, gibst du anderen die Möglichkeit, Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen.
Ganz ehrlich, möchtest du ungesunde Beziehungen vermeiden aus Wut, oder möchtest du darüber stehen? Kennst du die Täter-Opfer-Retter-Dynamik? Diese Beziehungsmuster sind oft ungesund und können dich in Kreisläufe ziehen, die dir nicht guttun. Wenn du immer die Retter-Rolle übernimmst, läufst du Gefahr, dich emotional auszubrennen oder in Abhängigkeiten zu geraten. Gesunde Beziehungen basieren auf gegenseitigem Respekt – nicht auf einem ständigen Gefühl der Verpflichtung.
Wie du Verantwortung für dich selbst übernimmst
Du könntest Selbstmitgefühl entwickeln. Es beginnt bei dir. Nimm dir einen Moment und frage dich: Wie gehst du mit dir selbst um? Verurteilst du dich, wenn du etwas nicht schaffst? Versuchst du, es allen recht zu machen? Selbstmitgefühl bedeutet, dir die gleiche Freundlichkeit und Nachsicht entgegenzubringen, die du anderen geben würdest. Du bist auch nur ein Mensch, und es ist okay, Fehler zu machen. Sei sanft mit dir.
Du könntest klare Grenzen setzen. Grenzen sind nicht egoistisch – sie sind ein Akt der Selbstfürsorge. Wenn du merkst, dass jemand deine Zeit, Energie oder emotionale Verfügbarkeit überstrapaziert, ist es wichtig, Stopp zu sagen. Du darfst "Nein" sagen, ohne dich schlecht zu fühlen. Es ist nicht deine Aufgabe, die Welt zu retten – nur dein eigenes Wohlbefinden.
Du könntest die Verantwortung dort lassen, wo sie hingehört. Du bist nur für deine eigenen Gefühle und Handlungen verantwortlich – nicht für die der anderen. Diese Erkenntnis kann unglaublich befreiend sein. Indem du anderen die Verantwortung für ihre Gefühle zurückgibst, entlastest du dich und ermöglichst gesündere Beziehungen.
Du könntest damit anfangen, mal in dich selbst hinein zu schauen. Manchmal sind es alte Wunden, die uns dazu bringen, uns für andere verantwortlich zu fühlen. Vielleicht hast du als Kind erfahren, dass du geliebt wirst, wenn du brav bist oder die Erwartungen erfüllst. Es kann hilfreich sein, diese Muster zu erkennen und aufzulösen – zum Beispiel durch die Arbeit mit deinem inneren Kind oder durch therapeutische Methoden.
Dein Weg zurück zu dir
Nimm dir Zeit für dich. Wirklich! Denke es nicht nur, “ach morgen fange ich damit an”, sondern mache es. Mache es wirklich. Wie oft hörst du in dich hinein? Wie oft fragst du dich, was du gerade wirklich brauchst? Selbstreflexion ist ein Schlüssel, um bei dir selbst anzukommen. Nimm dir regelmäßig Zeit, um innezuhalten und dir diese Fragen zu stellen.
Nehme eine Achtsamkeitpraxis auf oder meditiere. Durch Achtsamkeit und Meditation kannst du lernen, im Moment zu sein und deine Gedanken und Gefühle wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Das hilft dir, dich selbst besser zu verstehen und bewusster mit deinen Grenzen umzugehen.
Lerne endlich, kleine Erfolge zu feiern. Das meine ich ernst. Klopfe dir dafür auf die Schulter und rufe laut heraus, “ich bin eine coole Socke”. Es ist ein Prozess, Verantwortung für dich selbst zu übernehmen. Sei stolz auf jeden kleinen Schritt, den du machst. Jeder Moment, in dem du dich für dich entscheidest, ist ein Erfolg.
Ein Appell an dich
Es ist nicht deine Aufgabe, die Welt zu tragen. Du bist nicht für das Glück anderer verantwortlich – nur für dein eigenes. Indem du bei dir bleibst, leistest du mehr, als du dir vorstellen kannst. Du inspirierst andere, dasselbe zu tun. Du stärkst deine Beziehungen, indem du sie auf Augenhöhe bringst. Und vor allem: Du findest zurück zu dir selbst.
Also, fang heute an. Ganz nach den Worten von Erich Kästner, es gibt nichts gutes, außer man tut es. Schau in dich hinein. Sei mutig. Sei du selbst. Denn die wichtigste Verantwortung, die du trägst, ist die für dein eigenes Leben.
Bilder:
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