Emotionen sind eng mit unserem Körper verbunden. Bewegung beeinflusst, wie wir fühlen, denken und handeln – sie kann stabilisieren, beruhigen, aktivieren oder klären. Doch nicht nur der Körper spielt eine Rolle in der emotionalen Selbstregulation, sondern auch unser innerer Glaube. Besonders entscheidend ist dabei der Glaube an uns selbst.
Warum Glaube für uns Menschen essenziell ist
Glauben und Realität müssen sich nicht widersprechen. Es ist möglich, an etwas zu glauben, das wissenschaftlich gut belegt ist – genauso wie es möglich ist, an etwas festzuhalten, das längst widerlegt wurde. Unsere Überzeugungen bewegen sich auf einer Skala: von sehr gut belegten Theorien bis hin zu nachweislich falschen Annahmen. Entscheidend ist nicht ob wir glauben, sondern was wir glauben – und ob dieser Glaube mit der Realität vereinbar ist.
Auch wissenschaftliche Fakten müssen wir letztlich „glauben“, um sie in unser Handeln zu integrieren. Wer nicht an sich selbst glaubt, verliert Orientierung, Motivation und Handlungsfähigkeit. In diesem Sinne ist Glaube ein Fundament für Selbstvertrauen – und damit für jede Form von emotionaler und körperlicher Selbstregulation. Wie Utsch et al. (2018) betonen, „kann Spiritualität [...] positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben“ – insbesondere durch Vertrauen, Hoffnung, Sinngebung und Vergebungsbereitschaft (S. 3).
Der Einfluss des Selbstglaubens auf unsere Emotionen
Der Glaube an sich selbst ist nicht nur eine psychologische Idee, sondern hat konkrete Auswirkungen auf unsere körperliche Verfassung. Menschen mit einem stabilen Selbstvertrauen erleben Stress oft weniger intensiv und können in schwierigen Situationen handlungsfähig bleiben. Studien zeigen: Wer an seine eigenen Fähigkeiten glaubt, aktiviert unbewusst andere körperliche Haltungen, Spannungsmuster und Bewegungsimpulse. So wirkt der Glaube an sich selbst direkt auf die Art, wie wir uns durch die Welt bewegen – und umgekehrt.
Bewegung kann ein Schlüssel sein, um diesen Glauben zu stärken. Durch gezielte körperliche Übungen – etwa in achtsamer Bewegung, im Sport oder in der Körpertherapie – können sich Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen wieder aufbauen. Die Feldenkrais-Methode etwa versteht Bewegung nicht als Selbstzweck oder bloße Fitness, sondern als Erfahrungsraum für Selbstwahrnehmung, Sinnstiftung und Lernfähigkeit. Feldenkrais sprach in diesem Zusammenhang von „organischem Lernen“, einem Prozess, der uns befähigt, „über das hinauszuwachsen, was wir über uns zu wissen glauben“ (Reese, 1981, S. 6).
Feldenkrais betonte immer wieder, dass Veränderung nicht durch äußeren Zwang, sondern durch bewusste Erfahrung innerer Beweglichkeit entsteht. Seine Methode verfolgt deshalb einen indirekten, experimentellen Lernansatz: kleine, sanfte Bewegungsvariationen führen zu tiefgreifender Reorganisation des Selbstbildes – oft ohne Zielvorgabe, sondern aus einer Haltung des Staunens und Entdeckens heraus (Reese, 1981, S. 121). In seinen Worten: „Man verbessert sich nicht, indem man sich anstrengt, sondern indem man besser wahrnimmt.“
Glaube als Ressource – und als Risiko
Natürlich kann Glaube auch ambivalente Wirkungen entfalten. Utsch et al. (2018) weisen darauf hin, dass nicht jeder Glaube automatisch gesundheitsförderlich ist. Entscheidend sei, „wie der Glaube gelebt wird und welches Gottesbild den Hintergrund bildet“ (S. 6). Ein positives, vertrauensvolles Verhältnis zu einer transzendenten Instanz wirkt stärkend – ein strafender, angsterzeugender Glaube dagegen kann psychisch belastend wirken.
Die Feldenkrais-Methode teilt diesen Fokus auf Erfahrung statt Dogma. Sie misst jeder individuellen Wahrnehmung Bedeutung bei und verzichtet auf normierende Korrektur. „Funktionelle Integration“ – die Einzelarbeit der Methode – unterstützt durch Berührung und Kontextveränderung das Entstehen neuer Handlungsmöglichkeiten, ohne eine „richtige“ Bewegung vorzugeben (Reese, 1981, S. 142). Glaube – an sich, an Bewegung, an Entwicklung – wird hier als lebendige Beziehung zur Welt verstanden, nicht als starre Überzeugung.
Bewusst glauben – mit Realitätssinn
Ein gesunder Umgang mit dem eigenen Glauben bedeutet, sich selbst regelmäßig zu hinterfragen:
- Warum glaube ich, was ich glaube?
- Ist dieser Glaube nützlich – oder schadet er mir?
- Gibt es Fakten, die meinen Glauben stützen oder widerlegen?
Glaube darf optimistisch sein – aber er sollte nicht blind machen. Wenn wir uns selbst reflektieren und bereit sind, Überzeugungen bei Bedarf anzupassen, bleiben wir innerlich beweglich. Und genau diese Beweglichkeit – körperlich wie geistig – ist es, die emotionale Stabilität ermöglicht.
Wie Utsch (2018) schreibt, gehört zur psychischen Gesundheit auch eine gesunde Selbsttranszendenz: die Fähigkeit, über sich selbst hinauszuwachsen, Sinn im Größeren zu suchen und sich als Teil eines umfassenderen Ganzen zu begreifen. Dieser „religiöse oder spirituelle Blick auf das Leben“ kann „kraftspendend und identitätsstiftend“ sein – besonders in belastenden Lebensphasen (S. 195 f.).
Auch Feldenkrais formulierte dies ganz ähnlich: „Du musst nichts erreichen – nur etwas spüren. Und aus dieser Erfahrung wird dein ganzes System lernen.“ (zit. nach Reese, 1981, S. 6). Wer diesen Weg geht, kultiviert nicht nur körperliche Koordination, sondern auch Vertrauen – in sich selbst, ins Leben und in das, was sich aus dem Moment heraus entfalten will.
Literatur:
- Bonelli, R. M., Utsch, M., & Pfeifer, S. (2018). Psychotherapie und Spiritualität: Mit existenziellen Konflikten und Transzendenzfragen professionell umgehen (2., überarb. u. erw. Aufl.). Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56009-9
- Reese, M. (1981). Moshé Feldenkrais’s Work with Movement – A Parallel Approach to Milton Erickson’s Hypnotherapy. In The Feldenkrais Method and Dynamic System Principles.
Bilder:
- Foto von Katrina Wright auf Unsplash

