“Die Natur hat dem Menschen Stärke genug gegeben; nur müssen wir sie gebrauchen, müssen unsere Kräfte sammeln und sie sämtlich für uns, nicht gegen uns in Bewegung setzen. In dem Nichtwollen liegt der Grund, das Nichtkönnen ist nur ein Vorwand.” Lucius Annaeus Seneca

Dieses schöne Zitat von Seneca verdeutlicht zwei Dinge. Zum einen verdeutlicht es den Unterschied zwischen Nichtwollen und Nichtkönnen, indem es darauf abzielt, dass der höchstwahrscheinlich wahre Grund für ein Nichterreichen eines Zieles im Nichtwollen begründet liegt und nicht im Nichtkönnen. Zum anderen deutet es darauf hin, dass wir von etwas Gebrauch machen müssen, und zwar regelmäßig. Erst dann können wir die Lorbeeren ernten. Beharrlich zu sein, sofern eine Person erfolgreich ist, ist keine Kunst. Die wahre Beharrlichkeit zeigt sich in Zeiten des Misserfolgs oder/beziehungsweise der Stagnation. Denn, wer dann immer noch an seinen Zielen festhält und diese weiterhin verfolgt, kann sich als beharrlich ansehen.

Stabilität kommt nicht alleine

Beharrlich sein, bedeutet nicht, wie ein Wilder kopflos Gewichte zu heben, zu stemmen auf Kosten der Gesundheit. Es bedeutet jedoch auch nicht, nichts zu tun. Allein die Ernährung zu optimieren und alle anderen Variablen ausser Acht zu lassen, unterliegt einem Missverständnis. Das Missverständnis besteht darin, das manche Personen vergessen haben, das wir in einem Gravitationsfeld leben. Die Widerstände, denen wir als Mensch ausgesetzt sind, regen Wachstumsprozesse an. Werden diese Widerstände geringer, wie es bei Raumfahrern der Fall ist, kommt es nicht nur zur Stagnation, sondern zum Abbau von Kraft und Stabilität in allen Gelenken/Muskeln. Abbauprozesse finden meist immer statt. Aufbauprozesse finden lediglich nur dort statt, worauf wir unseren Fokus legen.

Das Spiel mit der Gravitation

Reicht unsere Erdanziehungskraft nun, um genügend Widerstand zu bieten? Wir müssen nicht einmal so weit in der Geschichte zurückgehen, ca. 150 Jahre. Damals arbeiteten die Menschen vorwiegend körperlich und hart. Dies ist heute zu großen Teilen nicht mehr der Fall. Wir mögen geistig bis an unsere Grenzen gehen, körperlich jedoch schonen sich manche Menschen bis ins Extrem. Das hat seinen Preis. Es wird ständig versucht, das Leben noch gemütlicher zu machen. Gemütlichkeit ist etwas sehr schönes. Ich genieße sie regelmäßig bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Käsekuchen auf einer dunklen Ledercouch. Jedoch trägt Gemütlichkeit alleine nicht zu einem resistenten Körper bei. Dieser muss/sollte gefördert und gefordert werden. Konkreter würde dies bedeuten – ein Krafttraing von 3-4 x in der Woche, gepaart mit einem Training der Mobilität und Entspannungsübungen. Dies kann regelmäßig zu ganz erheblichen Anpassungen im aktiven wie auch passiven Bewegungsapparat führen. Und nicht nur dort…

Gewichtswesten

Darf es statt dem Krafttraining auch Spazierengehen sein, eventuell mit einer Gewichtsweste? In einer Studie (Rantalainen, Ruotsalainen & Virmavirta; 2012) wurde untersucht, ob Hypergravitation allein bei Alltagsaktivitäten mit Ausnahme sportlicher Aktivitäten zur Verbesserung der neuromuskulären Leistungsfähigkeit bei jungen Erwachsenen wirksam ist. Dazu wurden 8 männliche Probanden (durchschnittliches Alter: 32) untersucht. Sie trugen drei Wochen lang Gewichtswesten und zwar während der Wachphase. Die Kontrollgruppe bestand aus 9 männlichen Probanden (durchschnittliches Alter: 32). Es wurde zu Beginn, sowie am Ende getestet. Dazu wurde ein Gegenbewegungssprung, einem Achter-Lauftest, sowie einem Laufgeschwindigkeitstest gemacht. Anfangs gab es in den Gruppen keine Unterschiede. Es konnte eine Verbesserung im Achter-Lauftest gemessen werden. Es wurden keine Verbesserungen bei den anderen beiden Tests gefunden. Die Autoren empfehlen Hypergravitationstraining nur während des Trainings anzuwenden, mit einer Weste, welche 5-10% des Körpergewichts beträgt, dies bei 50 % der Trainingseinheiten. 

Verbesserter Stoffwechsel und Energiebereitstellung

Je mehr Muskelmasse vorhanden ist, desto besser ist der Stoffwechsel. Ein intensives Training im Bereich von 60 – 90% der Maximalkraftleistung mit kurzen Pausen von ca. 30-60 Sekunden führt zu sehr guten Ergebnissen. Die lokalen Energiespeicher steigen an, die Laktattoleranz verbessert sich. Der aerobe Stoffwechsel verbessert sich auch im Zirkeltraining ab 30 Minuten.

Verbesserter Stoffaustausch

In den Kapillaren, den kleinsten Blutgefäßen, findet der Stoffaustausch zwischen Blut und den Gefäßen statt. Dafür sind Konzentrations- und Druckgefälle verantwortlich, mit welcher Geschwindigkeit und in welche Richtung dies stattfindet. Größere Muskeln brauchen einen höheren Stoffaustausch. Durch Krafttraining kommt es nicht nur zu einem höheren Muskelquerschnitt, sondern auch zu einer erhöhten Kapillarisierung.

Besseres Herz-Kreislauf-System

Ein angepasstes Krafttraining und die daraus resultierenden Anpassungen stellen eine sehr gute Ressource dar, wenn es zu alltäglichen körperlichen Anforderungen kommt. Ist es nicht leichter die Wasserkiste in den zehnten Stock zu tragen, sofern eine entsprechende Muskulatur vorhanden ist? Neben einer Zunahme der Herzwandstärke und einer Verbesserung des Sauerstofftransports in die Muskelzelle, kommt es auch zu einer Absenkung des Ruhepulses wie auch eine Absenkung des Blutdruckes.

Auswirkungen auf den Hormonhaushalt und den Gehirnstoffwechsel

Krafttraining führt zu erhöhten Werten an Testosteron und Wachstumshormonen im Blut. Dies begünstigt wiederum den Aufbau von körpereigenen Proteinen und verbesserten Reparaturmaßnahmen. Eine verbesserte Hirndurchblutung, Wiederaufbau von Dendriten und eine verbesserte Leistungsfähigkeit des Kurzzeitgedächtnisses wären nur einige Punkte eines Krafttrainings. Überdies ist allbekannt, dass der Körper die Psyche positiv beeinflusst. Erhöhte Endocannabinoidausschüttungen führen zu einer Auflösung von Ängsten und einer Verminderung von Schmerzempfinden. Die sogenannten Effekte des Runner´s High sind nicht durch Endorphine sondern durch Endocannabinoide verantwortlich (Fuss et al., 2015). Körperliche Aktivität (z.B. Laufen, Ergometer) von ca. 50 Min. mit ca. 70-80 % der maximalen Herzfrequenz aktivieren dieses System (Sparling et al., 2003). 

Fazit 

Es mag sein, dass es manchen Menschen nicht möglich ist, ein so straffes Programm aufrechtzuerhalten. Dazu sei gesagt, dass zu unterschiedlichen Zeiten auch unterschiedliche Anpassungen bezüglich Programme gemacht werden müssen. Das Ziel sollte darin bestehen, stetig etwas zu tun. Dies mag auch in schlechten Zeiten weniger der Fall sein. In guten Zeiten spricht nichts dagegen, das Pensum ein wenig zu steigern. Weg vom Schwarz-Weiß-Denken, hin zu einem Kontinuum der Betätigung. Ich betätige mich den Umständen entsprechend. Jedoch betätige ich mich und zwar ausschließlich für mich. Oder, mache es doch wie die Biene!

Literatur:

  • Fuss, J., Steinle, J., Bindila, L., Auer, M.K., Kirchherr, H., Lutz, B. et al. (2015). A runner´s high depends on cannabinoid receptors in mice. Proceedings oft he national acadmey of sciences, 112 (42), 13105-13108.
  • Rantalainen, T., Ruotsalainen, I., & Virmavirta, M. (2012). Effect of weighted vest suit worn during daily activities on running speed, jumping power, and agility in young men. Journal of strength and conditioning research, 26(11), 3030–3035. https://doi.org/10.1519/JSC.0b013e318245c4c6
  • Sparling, P.B., Giuffrida, A., Piomelli, D., Rosskopf, L. & Dietrich, A. (2003). Exercise activates the endocannabinoid system. Neuroreport, 14 (17), 2209-2211.

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