Ein neuer Tag beginnt. Ein neues Leben beginnt. Wow. Große Sätze. Vielleicht ist es so. Vielleicht auch nicht. Worauf kommt es an? Das ist eine sehr gute Frage. Fangen wir klein an. Ein neuer Tag beginnt. Du liegst im Bett. Du wachst auf. Du stehst auf. Wie tust du das? Ganz ehrlich, denke mal darüber nach. Was passiert dann? Vielleicht stehst du gar nicht auf. Vielleicht bleibst du liegen, gefangen in der kognitiven Paralyse, etwas zu analysieren, kein Schritt vorankommend. Doch das muss nicht sein. In der Tat muss dies nicht sein. 

Nicht lange ist es her, da sagten Psychologen, wir würden nicht aus dem Bett kommen, wenn wir dies bewusst tun würden. Was meinen sie damit? Sie meinen damit folgendes. Du wachst auf und du stehst auf und du startest den Tag. Was auch immer du tust. Du tust es einfach. Du denkst darüber nicht nach. Wenn du nun darüber nachdenken würdest, wie du diese Dinge tust, was würde passieren? Vielleicht gar nichts, oder vielleicht würdest du, wie vorher gesagt, stecken bleiben, in der kognitiven Paralyse. Die Behavioristen sagten einst, es wäre nicht wichtig, was in unserer Black Box, genannt Hirn, passiert. Na ja, wir wissen, das dies nicht so ganz stimmt. Die Kognitivisten sagten einst, wir wären intentionale Wesen, d.h. wir entscheiden zu 100%, was wir tun, immer. Na ja, wir wissen auch hier, das dies nicht so ganz stimmt. Freud sagte einst, da ist ein Eisberg, die Spitze ist überhalb des Wassers, der Rest unterhalb der Oberfläche. Bringe den Rest nach oben und du hast es. Doch ist dies möglich? Unwahrscheinlich. 

Also noch einmal, ein neuer Tag beginnt, wie stehst du auf? Das WIE ist hier der entscheidende Punkt. Menschen leiden, Menschen haben Schmerzen, gehen zum Arzt, zum Therapeuten, werden behandelt. Manchmal hilft es, manchmal hilft es nicht. Wenn es hilft, dann freuen sie sich und loben den Arzt/den Therapeuten in Himmels Höhen. Wenn es nicht hilft, dann wird das Gegenüber herablassend beurteilt, die hätten keine Ahnung. Doch so einfach ist es leider auch nicht. Gerade dann, wenn Leiden, wenn Schmerz, den Alltag bestimmen, ist es hilfreicher, das WIE anzusehen, statt ständig nach dem WARUM zu fragen. Wenn ich dies schreibe, denke ich natürlich an mich, aber auch an andere. Sind es meine Worte? Nein. Es sind die Worte von Moshé Feldenkrais.

Ein neuer Tag beginnt. Beginnt er ohne Schmerz, ohne Leid, ohne Spannung, ohne Grübeleien, ohne alle negativen Begleiterscheinungen, so freue ich mich sehr für dich. Doch wenn dies nicht so ist, was dann. Ich habe dieses Spiel angefangen zu spielen, als ich in Seattle war, während meiner Feldenkrais Ausbildung. Das war 2011. Als ich dann zu Hause in Texas war, spielte ich weiter. Manchmal vergaß ich dieses Spiel und dann kam es plötzlich wieder. Welches Spiel? Das Spiel mit dem WIE. Wie stehe ich also auf? Was passiert in meinem Körper? Welche Muskeln bewege ich als erstes, welche als zweites, welche als drittes? Sind da Gedanken? Was machen diese mit meiner Bewegung? Sind da Gefühle? Was machen die mit meiner Bewegung? Sind da Empfindungen? Was machen die mit meiner Bewegung? Was macht das alles mit mir? Das kann ich teilweise beantworten, doch nicht zu 100%. Es unterbricht. Was wird unterbrochen?

Die Gewohnheit, aufzustehen, jeden Tag, immer gleich, immer ziemlich ähnlich. Der Unterschied, der den entscheidenden Unterschied macht. Das ist es. Das ist es, was ich suche. Das ist es, warum ich Feldenkrais mache. Feldenkrais, als ein Weg, der nie endet. Als ein Weg der Erforschung des WIE´s. Wenn ich aufstehe und mich wirklich hingebe, mit voller Achtsamkeit, nicht bewertend, ohne Zielorientierung, nur dem Prozess lauschend und dies immer wieder durchspiele, dann entsteht etwas. Lernen, Entwicklung, Verbindung zu mir, durch die Bewegung. Einst war da was. Es war nicht rund, nicht geschmeidig. Es gefiel mir nicht. Der Schmerz, ich wollte ihn nicht. So schaute ich darauf, wie ich nun mal aufstehe, wie ich den Tag starte. 

Wie du aufstehst, ist nur ein Teil. Ein Teil von einer Unzahl an Teilen, die dich durch den Tag bringen, die dich durch das Leben bringen. Alle Teile zu studieren, das kann es nicht sein, wirklich nicht. Doch Teile zu studieren, damit meine ich erforschen, ich meine Exploration, das kann es in der Tat sein. Diese Teile werden sich ändern. Dieser Unterschied wird den Unterschied machen. Und es wird sich auf die anderen Teile auswirken. Ausnahmslos. Das habe ich erfahren. Das erfahren Menschen, welche Feldenkrais praktizieren, immer und immer wieder. Daher praktizieren diese Menschen wahrscheinlich Feldenkrais.

Aufstehen, aber wie, das ist eine sehr gute Frage. Du entscheidest, vielleicht nicht einmal bewusst, ob du diesen Weg gehst, oder einen anderen. Es gibt viele Wege. Keiner dieser Wege ist besser oder schlechter. Es sind Wege und vor allem entstehen diese im Gehen, im Spüren, in der Bewegung, im Sein. Einst war da der Schmerz, doch dann wich er. Vielleicht ist der Schmerz der beste Freund, den du jemals hattest. Vielleicht, wir wissen es nicht. Was wissen wir? Gute Frage. Ehrlich. Keine Ahnung. Wir wissen viele und wir wissen nichts. “Anyway”! 2011 schrieb ich dazu folgendes Gedicht. Ich möchte es hier mit dir teilen.

There is beauty in pain,
showing the dichotomy of life,
this or that – good and bad?
Both and beyond?
Neither good nor bad,
transformative may be the way,
a process of development,
triggered through pain,
towards a higher understanding,
towards a better self regulation,
towards reorganisation,
the culprit has proven as a friend.

Bilder:

  • Nachdem ich dann aufgestanden war, blickte ich aus dem Fenster und sah dieses Farbenspiel. Das war in meinem Zimmer in der Bastyr University, eine private Universität für alternative Medizin, in Seattle. Dort nächtigte ich für die Feldenkrais Ausbildung. Die Zeit war der Hammer. Ich stand jeden Tag auf, und jeden Tag war es irgendwie ein bisschen anders. Ein bisschen!