Was ist sie, diese Kohärenz beim Kohärenten Atmen? Wir sprechen beim kohärenten Atmen von einer Herz-Lungenresonanz und gehen damit Mae-Wan Hos Definition von Geist-Körper-Kohärenz nach. Dazu gleich mehr. Beim kohärenten Atmen bezieht sich das Wort Kohärenz auf einen Zustand von Gleichgewicht. Jetzt darf man dies nicht falsch verstehen. Das Leben ist meist nie im Gleichgewicht. Gleichgewicht ist jedoch etwas, was wir als lebende Organismen anstreben, um gesund zu bleiben. Das was wir da anstreben, hat beim kohärenten Atmen viel mit dem Nervensystem, der Atmung, und dem Herz-Kreislaufsystem zu tun. Beim kohärenten Atmen atmen wir gleichmäßig und langsam in einem Rhythmus von etwa 5-6 Atemzügen pro Minute (z.B. 5 Sekunden ein, 5 Sekunden aus). Genau dieser gleichmäßige Atemrhythmus fördert die Kohärenz von Lunge zu Herz. Schauen wir uns mal mehrere Perspektiven dazu an.

Kohärenz in der Physik

In der Physik ist Kohärenz eine Eigenschaft von Wellen, die in einem dynamischen Verlauf einer gemeinsamen festen Regel folgen. Kohärent sind diese Wellen dann, wenn die Schwingbewegungen gleich sind. So synchronisieren sich Metronome untereinander, auch wenn die Rhythmen anfangs unterschiedlich waren.

Kohärente Systeme beeinflussen eher inkohärente Systeme als umgekehrt. Unser Organismus strebt von sich aus einen optimalen Zustand des dynamischen Gleichgewichts an. In diesem entstehen Wachstumsprozesse und Entwicklung. Kohärenz bedeutet in diesem Sinne, mit sich und der Umwelt mehr im Einklang zu sein.

Kohärenz nach Mae-Wan Ho

Mae-Wan Ho, geboren in Hong Kong, Doktor der Biochemie, verfolgte zeit ihres Lebens die Beantwortung der Frage “what is life”. Die Biochemie brachte sie der Frage nicht näher, die Biologie auch nicht. Dem Neo-Darwinismis kehrte sie den Rücken zu, denn dieser erklärte einfach alles mit Wettkampf und Selektionsvorteilen. Sie landete schließlich bei der Quanten Kohärenz. Wenn wir heute von Langlebigkeit sprechen, so wäre die Quanten Kohärenz eine Antwort. Wenn wir ein völlig kohärentes Quantensystem hätten, würden wir nicht altern, doch wir tun es dennoch, aufgrund von Inkohärenz verschiedener Ausmaße. 

Eine mögliche Erklärung wäre die folgende (Ho, 2010): Alle Moleküle zusammen schwingen in einer kohärenten Weise. Ihre Bewegungen sind langsamer als die Lichtvibrationen. Daher „erfasst“ das Licht in jedem Moment diese molekulare Ordnung und erzeugt so ein Display von Flüssigkristallen. Flüssigkristalle sind besondere Substanzen, die die strukturelle Ordnung eines Feststoffes und die Flexibilität einer Flüssigkeit kombinieren. Sie ermöglichen eine schnelle und kohärente Kommunikation und Anpassung innerhalb biologischer Systeme. Diese molekulare Kohärenz ist im gesamten Organismus vorhanden ist, da wir ca. 70 % aus Wasser bestehen. So wie Organismen miteinander kommunizieren, so kommunizieren auch Teile in uns miteinander. Diese Kommunikation ist in Rhythmen angelegt. So wäre der Herzschlag ein Ergebnis aller Rhythmen im Körper.

Ein wirklich schönes Beispiel, um dies zu verdeutlichen ist die Musik. Wenn eine Gruppe von Menschen zusammen Musik macht und jemand von Außen hört zu, weiß diese Person sofort, ob Kohärenz vorhanden ist, oder nicht. Woran? An dem Gefühl des Wohlklanges. Es fühlt sich stimmig an. Es fühlt sich einfach unglaublich schön an. Sobald die Menschen in der Band nicht mehr miteinander spielen, sondern jeder für sich, dann fehlt die Stimmigkeit. Das ist hörbar, oder besser gesagt, spürbar. 

Kohärenz nach Aaron Antonovsky

Der Mensch befindet sich nach Antonovsky (Lorenz, 2005) immer auf einem Kontinuum zwischen Gesundheit und Krankheit. Das Leben bietet Herausforderungen, welche zu meistern sind. Dafür sind Ressourcen notwendig. Antonovsky bot somit eine neue Perspektive auf Gesundheit und Krankheit. Anstatt sich auf die Entstehung von Krankheiten (Pathogenese) zu konzentrieren, stellte Antonovsky andere Fragen. Das Kohärenzgefühl kann als eine Einstellung zum Leben gesehen werden, mit drei Komponenten, oder Fragen:

  1. Kann ich die Welt und was in ihr passiert, verstehen?
  2. Kann ich diese Herausforderungen der Welt meistern?
  3. Kann ich dem Ganzen einen für mich positiven Sinn abgewinnen?

Gelingt dies und schafft es somit eine höhere Kohärenz mit mir und den Gegebenheiten, so wahrscheinlicher ist es das ein Mensch auf der gesunden Seite unterwegs ist.

Kohärenz nach Alan Watkins

Watkins (2014) behauptet, um Gesundheit zu erhalten und beste Leistungen erzielen zu können, braucht es Kohärenz auf allein Ebenen: Verhalten, Denken, Fühlen, Physiologie. Die Physiologie ist dabei die Grundlage, denn wenn der Körper nicht im Gleichgewicht ist, hilft alles andere auch nicht. Kohärenz ist dabei ein Zustand von stabiler Variabilität, gemessen am Ausmaß und am Muster der Variabilität. Dies trägt zur Gesundheit bei und kann über die Herzkohärenz trainiert werden. Die Herzkohärenz kann wiederum durch die Atmung beeinflusst werden. Energieverlust entsteht vorwiegend durch ein inkohärentes und chaotisches Atmen.

Herzkohärenz

Also Herzkohärenz kann trainiert werden, durch Atmung. Das ist schon mal sehr gut. Chaotische Zustände im Körper erzeugen nämlich Instabilität und können als inkohärent gesehen werden. Kohärente Zustände im Körper tragen langfristig zur Aufrechterhaltung der Gesundheit bei.

Herzkohärenz bedeutet die gleichmäßige Verteilung der Herzintervalle. Ein Herzintervall sind die Abstände zwischen den Herzschlägen. Ändern sich diese Intervalle gleichmäßig, d.h. die Intervalle werden gleichmäßig kürzer oder länger, so sprechen wir von Kohärenz. Schlägt das Herz wie ein Metronom, also exakt gleichmäßig, so steht der menschliche Organismus extrem unter Stress.

Herzkohärenz bedeutet also auch dynamische Stabilität, d.h. unter Stress fährt es die Leistung hoch, in Entspannungsphasen regeneriert es sich wieder. Mit einer Herzkohärenz gehen weitere Vorgänge mit einher: Blutdrucksenkung, Energieeffizienz, Verlangsamung des Alterungsprozesses, Stärkung des Immunsystems, Anfälligkeit für emotionale Anforderungen des Lebens und die daraus entstehenden Ängste werden geringer. Ein überlastetes Herz kommt schwer mit Veränderungen klar und schafft somit auch ein Umfeld, in welchem Bluthochdruck, Diabetes und Herzinfarkte keine Ausnahmen mehr darstellen.

Sympathikus und Parasympathikus sind beides Mitspieler bei der Regulation des Herzschlages. Überlasst man diese Regelung nur dem Sympathikus kann dies längerfristig belastend sein, da der Sympathikus leistungsorientiert ist. Es fehlt die flexible Regulation durch den Parasympathikus. Ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Anteilen führt nun zu einer verbesserten Herzratenvariabilität.

Herzratenvariabilität und Anforderungen des Lebens

Die Herzratenvariabilität ist „die Fähigkeit unseres Herzens, auf unterschiedliche Anforderungen angemessen und flexibel zu reagieren“ (Ehrmann, 2016). Wie schnell das Herz schlägt, hängt mit dem vegetativen Nervensystem zusammen. Je variabler der Herzschlag, desto besser kann unser Herz mit Belastungen umgehen. Die Variabilität sagt somit die Anpassungsfähigkeit des Herzens voraus, d.h. wie leistungsfähig es in Stresssituationen ist und wie entspannungsfähig es in Phasen der Ruhe ist. Die Variabilität gibt somit Aufschluss über den Zustand des Parasympathikus. Sie ist auch schwer zu messen, da sie der dauerhaften Veränderung unterliegt. Wie läuft das jetzt konkret ab?

Atem-Herzkohärenz

Beim Einatmen gelangt Luft in die Luftröhre, in die Bronchialäste und schließlich in die Alveolen, das sind die kleinsten Lungenblässchen. Hier findet der Austausch an der Membran mit dem Blut statt. Beim Einatmen sinkt das Zwerchfell nach unten. Es entsteht ein Unterdruck, d.h. Luft strömt ein. Beim Ausatmen geht das Zwerchfell nach oben. Es entsteht ein Oberdruck, d.h. Luft strömt aus.

Das venöse Blut (sauerstoffarm und kohlendioxidreich) wird aus dem Körperkreislauf zur rechten Herzhälfte gepumpt und von dort zu den Lungen geschickt. In den Lungen wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und Kohlendioxid abgegeben. Das nun arterielle Blut (sauerstoffreich und kohlendioxidarm) gelangt in die linke Herzhälfte und wird von dort in den Körper gepumpt.

Dieser Kreislauf läuft, ausnahmslos. Dennoch kann dieser Kreislauf beeinflusst werden und zwar über die Atmung. Atme ich schneller, langsamer, flacher, tiefer, erzwungener oder entspannter. Alle Atemtechniken sind mehr oder weniger in Ordnung. Es ist auch eine Frage des Kontextes, d.h. bei extremer Anstrengung wird sich auch die Atmung ändern. Das ist ganz normal. Die Frage ist, kommt ein Mensch wieder zurück zu einer entspannten Atmung.

Fazit

Diesen Kreislauf zu beeinflussen, und zwar im positiven Sinnen, darum darf es gehen. Die Technik des kohärenten Atmens stellt eine Möglichkeit dazu dar. Hilfreich ist diese Technik genau dann, sobald mit einer gewissen Entspannung durchgeführt werden kann. Gerade dann stellt sie noch mehr Entspannung und somit mehr Gleichgewicht her. Auf die Kohärenz!

Literatur:

  • Ehrmann, Wilfried (2016). Kohärentes Atmen. Atmung und Herz im Gleichklang. Bielefeld: J. Kamphausen Mediengruppe GmbH
  • Ho, Mae-Wan (2010). Pursuing the science of global coherence. Alternative Therapies, Jul/Aug 2010, VOL. 16, NO. 4, 95
  • Lorenz, Rüdiger (2005). Salutogenese: Grundwissen für Psychologen, Mediziner, Gesundheits- und Pflegewissenschaftler. München: Reinhardt Verlag
  • Watkins, Alan (2014). Coherence. The Secret Science of Brilliant Leadership. London: Kogan Page

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