Vor kurzen laß ich wieder mal ein Buch zu Ende. Oder längerem? Das war 2021. Ich fand es toll. Es begleitete mich und machte die Bahnfahrt zwischen München und Nürnberg sehr angenehm. Es dreht sich mal wieder, wie in so vielen Büchern, um das Glück. Laut Stefan Klein (2018) breitet sich genau das Gegenteil, nämlich das Unglück wie eine Seuche aus. Menschen scheinen sich mit ihrer Niedergeschlagenheit anzustecken. Wird diese ganze Niedergeschlagenheit chronisch, sprechen wir von einer Depression. Depressionen sind auch ein Garant dafür, gegenüber den eigenen Bedürfnissen und denen der anderen gleichgültig zu werden. Die Gesellschaft verändert sich, notwendigerweise, vielleicht zerfällt sie, außer es verändert sich etwas, doch was könnte das sein?

Anfangs geht Stefan Klein auf Lebenslügen ein. Er meint damit die polarisierenden Meinungen der Linken und Rechten im politischen Spektrum. Laut der Linken geht der Zerfall der Gemeinschaft und die damit einhergehende Niedergeschlagenheit auf die wachsende Ungleichheit zurück. Die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Gebildet und Ungebildet wird größer. Die weniger Gebildeten werden dabei vom Fortschritt abgehängt und leiden daher an dem Risiko, eine Depression zu entwickeln. Die Rechten dagegen machen die Veränderungen verantwortlich. Es würde alles zu schnell gehen, zu viel Digitalisierung, zu viel Globalisierung, Rollendiffusion und Einwanderungsproblematiken. Ja, es mag sein, die Schere nimmt zu und auch die Geschwindigkeit nimmt zu. Doch wäre dies ein wenig zu einfach, die Schuld alleinig auf die Schere oder die Globalisierung, und was damit einhergeht, zu schieben. Denn wie Statistiken zeigen, sind viele Leute enttäuscht von der Demokratie und wählen daher nicht und die, die wählen sind auch enttäuscht und wählen daher Rechts. Die, die Rechts wählen sind nicht notwendigerweise arm, genau das Gegenteil ist der Fall, probabilistisch betrachtet. Wohlstand, mit anderen teilen, nein, auf gar keinen Fall. Das erzeugt Angst und Angst wählt, manchmal, eben Rechts.

Doch die Ursachen sind woanders zu verorten. Hier fing das Buch an für mich interessant zu werden. Es ist eben doch alles ein wenig komplizierter, oder auch doch nicht? Die Untergangsstimmung, die Hoffnungslosigkeit scheint der kleinste gemeinsame Nenner der Pessimisten zu sein und von denen gibt es eine Menge. Doch woher kommen diese Menschen, wo wir doch in eine der leistungsstärksten Ökonomien leben? Unablässiger Fortschritt, immer neue Produkte, immer mehr Wohlstand. Warum eigentlich schlecht drauf sein? Es ist doch alles da. Anscheinend aber nicht das bessere Leben, denn dieses scheint nicht da zu sein. Doch was ist das bessere Leben?

Das 20. Jahrhundert war das Jahr der Würde und auch das Jahr des Wohlstands. Arbeit für alle, klang es vor nicht all zu langer Zeit. Einst stand im Godesberger Programm, Ziel sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik ist stetig wachsender Wohlstand, zu erreichen durch stetigen Wirtschaftsaufschwung. Es ist schon eine schöne Sache, immer neue Autos zu haben, immer größere und tollere Wohnungen zu beleben und weitere Reisen zu unternehmen. Das BIP gibt uns dabei recht, als die Messgröße überhaupt. Mehr Geld = mehr Wunscherfüllung + mehr Zeit für Gesundheit, Bildung und Kultur. Schon Simon Kuznets fand es wissenschaftlich unsolide, und er erfand es. Dennoch stürzte sich die Politik und Wirtschaft darauf, denn sie wollten Unsicherheit vermeiden und Zuverlässigkeit in Zahlen. Ein BIP gelte schließlich als der Indikator, erfolgreich zu wirtschaften. Und die Wirtschaft, sie floriert wirklich und zwar sehr. Vor 50 Jahren, Krankenversicherung in den USA, kaum vorstellbar gewesen. Internet, eine sehr junge Erfindung, doch heute schon ist sie eigentlich nur langweiliger Standard, mehr nicht. Neben dem gibt es noch andere Zahlen, die da draußen weniger bekannt sind. Da wären die Zunahme an Suchtkranken, an Depressiven, an Suiziden usw. Können wir da wirklich von einer tollen Welt sprechen oder eher von einer verstörten Gesellschaft.

Den Deutschen geht es sehr gut, nach dem Krieg ging es nur bergauf und doch meckern wir. Andere europäische Länder zeigen ähnliche Phänomene. Doch nicht so die Chinesen, mittlerweile die größte Volkswirtschaft der Welt, Besitzer der größten Shoppingmals der Welt. Man möchte meinen, die müssen ja glücklich sein. Weit gefehlt. Es ist wie eine inverse Funktion. Je mehr sie das nötigste hatten, desto glücklicher waren sie. Jetzt schwimmen sie im “immer und überall und jetzt gleich” und das Unglück geht durch die Decke. Das ganze ist mit einem Paradox verbunden. Bereits wohlhabende Länder, werden durch noch mehr Wohlstand nicht glücklicher. Es besteht keine Korrelation zwischen mittleren Einkommen und subjektiven Wohlbefinden. Mir persönlich gefällt dazu die Forschung von Ed Diener, augenöffnend. Anders sieht es in Entwicklungsländern aus. Denn wenn das Nötigste fehlt, und wir sprechen hier nicht von der Waschmaschine, dann ist auch das Unglück groß. Das Unglück wächst also, die Schere zwischen Arm und Reich auch. Doch warum leiden eigentlich die Reichen? Ich und auch Stefan Klein, wir meinen uns, dich und mich und die um uns herum. Könnte es sein, dass wir vergleichen? Ein anderer ist erfolgreicher, dem müssen wir es nachmachen. Das wäre eine Sache. Die andere wäre, der zunehmende Vertrauensverlust in Staat und Wirtschaft. Diese beiden bauen auf Unzufriedenheit und erzeugen diese noch mehr. In anderen Worten haben wir eine ziemlich negative Glücksbilanz. 

Ich denke, spätestens jetzt müsste klar sein, dass alleinig das BIP nicht ausschlaggebend für unser derzeitiges Problem ist, die grassierende Niedergeschlagenheit. Kann es eventuell sein, dass diese Niedergeschlagenheit eine Täuschung ist? Wir kommen den Ursachen schon etwas näher, oder ziemlich? Wir werden immer reicher und immer unglücklicher. Wir müssen ja nur noch mehr BIP erzeugen, dann wird es schon. Nein! Der Grund liegt allein in uns, in unserer Natur. Zuerst räumt Stefan Klein mit den Sprachverwirrungen auf. Glück, ein nur zufälliger Zustand oder mehr als das. Zum einen ja, dann sprächen wir von “luck”, zum anderen nein, dann sprächen wir von dem höchsten Ziel, nämlich “happiness”. Dann wäre aber noch die wichtige Unterscheidung zwischen Glück (happiness) und Zufriedenheit. Wir können den Griechen dankbar sein. Hedonismus, dem momentanen Glück hinterher zu hecheln, wenn es auch noch so flüchtig sei, kann es nicht auf Dauer sein, doch Eudaimonie wohl doch schon eher. Denn Zweiteres beruht vielmehr auf einem Urteilsvermögen und das Ergebnis, welches sich einstellt, ist Zufriedenheit mit sich und der Welt. Diese Zufriedenheit wird in der Psychologie als subjektives Wohlbefinden bezeichnet. Und “backup” kommt aus der empirischen Sozialforschung der letzten drei Jahrzehnte. Was macht uns denn nun zufrieden? Es sind genau zwei Dinge, die die stärksten Korrelationen aufweisen.

Wir sind zufriedener, je mehr wir uns um das Wohl der Menschheit und anderer Menschen kümmern. Das wäre der Sieger. Wir sind auch zufriedener, wenn wir selbst unsere Arbeitszeit bestimmen können. Das erinnert mich an die Forschung von Deci und Ryan, welche über Selbstbestimmung forschten. Sie kamen zu drei Bedürfnissen. Der Mensch möchte eingebunden sein in eine Gemeinschaft. Der Mensch möchte sich kompetent fühlen in dem was er tut. Und! Der Mensch möchte autonom sein, also selbst bestimmen, was er tut und wie er es tut. Halten wir fest, das Streben nach Glücksmomenten trägt nicht notwendigerweise dazu bei, glücklicher zu sein. Es liegt nicht daran, Multimillionär zu sein oder ein armer Bettler. Es liegt eher daran, sich nicht zu vergleichen. Ich weiß, ich erwähnte es bereits. Ich denke, es muss oft gesagt werden. Es sind die existentiellen Grundbedürfnisse, welche zu Zufriedenheit führen, alles darüber hinaus verpufft in Sekundenschnelle. Es sind also nicht die Autos, die Bücher, oder die Reisen. Es ist laut Herrn Klein der Status, welcher durch Vergleich und Bewertung entsteht. Das Streben nach einem immer mehr ist also das größte Übel. 

In der Emotionspsychologie nennen wir das die hedonistische Tretmühle. Unser Protagonist heißt hier Dopamin und der ist schon ziemlich alt, tausende von Jahren alt. Ein ganz einfach dargestellter Ablauf eines Experiments mit Makaken wäre wie folgt: Makaken bekommen Apfelschnitten, es wird Dopamin freigesetzt, d.h. es passiert etwas Gutes. Irgendwann koppelte man die Apfelschnitte an Licht, welches als Vorwarnung galt. Nun war es nach einiger Zeit die Vorwarnung und nicht mehr die Apfelschnitte, welche etwas Gutes versprach. Nach einiger Zeit ließ auch das nach. Jetzt wurde der Apfel mit Rosinen ausgetauscht. Und wieder wurde Dopamin freigesetzt. Einfach ausgedrückt, kam als erstes eine Belohnung, als zweites die Idee der Belohnung und als drittes etwas anderes, also eine Überraschung. Dieses einfache Beispiel lässt sich auf verschiedenste Gebiete übertragen. Wichtig dabei ist anzumerken, dass gute Gefühle nicht von Dauer sind, daher muss der Drogensüchtige immer mehr Cannabis konsumieren, um seinen neuen Peak zu erreichen, oder der Reiselustige die ganze Welt bereisen. Ich frage mich, was er tut, wenn er jedes Land gesehen hat? Was haben wir hier? Gute Gefühle sind temporär und es braucht einen ständigen Anstieg um positiv zu fühlen. Der ständige Anstieg kann gleichgesetzt werden mit dem Irrglauben, das wir ständiges Wirtschaftswachstum brauchen, um glücklich zu sein. Nichts könnte der Wahrheit ferner sein als dieser Gedanke. 

Jetzt ist Dopamin nichts Schlechtes, denn einst half es uns beim Überleben, denn als es noch um Konkurrenzkampf und knappe Ressourcen ging, überlebten die, die jeden Vorteil nutzten. Die anderen starben einfach mal so aus. Einfach so. Punkt! Jaak Panksepp sagte einst, wir haben einen Antrieb ohne Ziel. Wir rennen förmlich wie die Irren durch das Leben, strebend nach immer mehr und nicht merkend, dass wir uns unsere eigene Grube graben. Die heutige Werbung, Twitter, Facebook und die unzähligen Selbstdarstellungen, “schau, was ich heute morgen gegessen habe, bin ich nicht toll???” tun ihren Rest, doch stop, wir wollen es ja auch so. Das dürfte so ziemlich jeden Kritiker von Social Media ein wenig den Wind aus den Segeln nehmen. Es fängt eben immer bei der eigenen Nase an.

Es ist schon ein Kreuz mit dem Dopamin. Mein Mitgefühl für all die Süchtigen da draußen. Ich schließe mich mit ein. Bei Drogen, Alkohol und bestimmten anderen Gebieten wird’s kompliziert, aber hat schon mal jemand über den heutigen Schuldner nachgedacht? Da gibt es eine Person, die Schulden aufnimmt, um ein Haus zu bauen, ein tolles Auto zu kaufen, eine Familie zu gründen. Jetzt merkt die Person, dass sie dafür immer mehr arbeiten muss und sich in der Freizeit mit Erholung auf die weitere Arbeit vorbereitet. Irgendwann leiden die Kinder, die Frau/oder der Mann, die Freunde, kurz: das soziale Netzwerk. Beziehungen gehen zugrunde, Therapien werden gemacht, doch es wird weitergerannt, denn man braucht es ja so unbedingt, das Haus, das Auto und co., und meckert ganz nebenbei über Alkoholiker. Aber hey, man meckert immer über die anderen, sprich, man sieht den Splitter in Nachbars Auge und den Balken im eigenen nicht. Schade, sehr schade. Da wären wir wieder bei der Sucht, der Niedergeschlagenheit angekommen. Dopamin lässt grüßen, es verspricht viel und vor allem immer mehr, denn es lässt den Schuldner immer mehr arbeiten, bis am Ende alles weg ist. Es scheint die falsche Karte gewesen zu sein, auf die der Schuldner gesetzt hat. 

Also, Dopamin ist Realität, das BIP ist es auch, doch wir brauchen ja irgendwie eine Änderung. Ein anderes System, oder evtl. das gleiche anders aufgestellt. Wir brauchen eine Politik die nicht auf den Wohlstand schaut, sondern auf das Wohlbefinden der Bürger und zwar alle. Es stand bereits in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, doch stand es da lediglich. Machen tun wir dafür wenig. Es dreht sich viel um 2% Wachstum, immer, überall, wettbewerbsfähig bleiben. Das BIP lässt sich leider Gottes so gut messen, doch der Happiness Growth Index lässt sich auch messen und zwar ziemlich gut. Glück ist eben mehr als nur Wirtschaftswachstum. Glück hat viel mit Gemeinschaft zu tun, es hat viel mit Kooperation zu tun und es hat viel mit Fairness zu tun. Werden wir noch ein wenig konkreter mit Stefan Klein. Er spricht von einem Koordinatensystem:

Du bist bis hierher gekommen. Das freut mich. Vielleicht gefällt dir was du gelesen hast. Mir hat dieses kurze Büchlein sehr gefallen. Vielleicht gefällt es dir ja auch.

Literatur:

  • Klein, Stefan. (2018) Die Ökonomie des Glücks. Nicolai Publishing & Intelligence GmbH, Berlin

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