Manchmal werde ich in meinen Feldenkrais Kursen und im Bekanntenkreis gefragt, was denn die besten Übungen sind. In manchen Foren zum Thema Fitness/Krafttraining oder Bewegung finden sich Antworten wie, “die Kniebeuge ist die beste Übung”, “die Brücke ist eine weit unterschätzte Übung”, “einfach nur laufen”, andere wiederum schreiben das Schwimmen das beste wäre. All diese Aussagen sind, so wie sie getroffen werden, nicht haltbar. Warum?
Neutralität ändert sich erst durch die Anwendung
Im Allgemeinen ist keine Bewegung bzw. keine Übung gut oder schlecht, sondern lediglich neutral. Erst die Anwendung, mag sie richtig oder falsch sein, macht die Bewegungen bzw. die Übung gut oder schlecht. In anderen Worten: So unterschiedlich die Lebensentwürfe und Ziele einer Person sind, so dynamisch und flexibel sollten auch die Bewegungen und Übungen angepasst werden. Der berühmte Nürnberger Trichter greift hier leider nicht, denn was gut für Person A gut ist muss nicht gut für Person B sein. Deswegen lässt sich auch nicht ein gleicher Trainingsplan für alle finden, sondern lediglich ein passender Plan für einen passenden Menschen, an dessen Umstände angepasst. Es wäre schön wenn dieser Plan, bzw. das dazugehörige Training einfach ist.
Komplexität und Kompliziertheit
Warum einfach? Einfach ist nicht das Gegenteil vom komplex. Übungen und Bewegungen sind in der Regel komplex, mal mehr mal weniger. Das Gegenteil von einfach ist kompliziert. Kein Laie möchte sich monatelang in irgendwelchen Fachbüchern einlesen und unzählige Seminare zu nur einer Übung besuchen, um schließlich die Fähigkeit zu besitzen, diese eine Übung auszuführen. Komplexität lässt sich auf einzelne Schritte reduzieren, welche es dann fast jedem Menschen ermöglichen, sich in der Ausführung kompetent zu fühlen.
Abwechslung und Passung
Was sich jedoch sagen lässt ist dies. Ein Trainingsplan bzw. Bewegungen wären emotional ansprechender, wenn ein wenig Abwechslung rein kommt. Wie würdest du dich fühlen, wenn du zehn Jahre lang das gleiche Programm absolvierst? Was hält dich davon ab, kreativ und selektiv zu sein? Somit trainierst du nicht nach rigiden Mustern, welche dir von anderen auferlegt werden, sondern löst dich von diesen auferlegten Grenzen und überschreitest sie. Das funktioniert natürlich nur in einem gewissen Rahmen, denn jeder Mensch ist an gewisse Umstände gebunden und in ein soziales Umfeld eingebettet. Diese beiden Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Worauf ich nun zu sprechen komme, ist die Intuition.
Intuition und somatische Marker
Die Intuition kann als gesammelter Erfahrungsschatz (bewusst und unbewusst) gesehen werden. Jede Sekunde deines Lebens prägt dich, jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Begegnung, jeder Schmerz, jeder Erfolg usw. Kennst du das Bauchgefühl, tief drinnen zu spüren, das diese Entscheidung richtig ist, oder dieser Weg der sinnvollere wäre? Du brauchst dafür keinen Verstand. Den kannst du im Nachhinein hinzuziehen, um diesen Gefühl einen Anstrich zu geben, um es in Worte zu fassen. In der Psychologie wird diese Intuition als somatische Marker bezeichnet (Bechara & Damasio, 2005). Diese somatischen Marker machen sich im Körper bemerkbar, durch ein Bauchgefühl, die Atmung, den Brustkorb, die Körpertemperatur, schwere Glieder und dergleichen. Kennst du solche Marker? Auf diese Marker zu hören, lässt einen ganz anderen Trainingsplan entstehen. Dieser Plan wäre dann wahrscheinlich auf deine Tagesverfassung angepasst. Aus deinen Fehlschlägen lernst du deine Grenzen kennen, um diese dann gezielt für dich zu nutzen. Dies kann Jahre dauern. Das Hören auf diese Marker gewinnt somit über die Jahre an erstaunlichen Wert.
Feldenkrais verbessert diese Intuition
Die Sammlung aller früheren Erfahrungen, bestehend aus Bewegungen, Emotionen und Kognitionen stellen ein reiches Fundament dar. Dieses Fundament ist nicht notwendigerweise auf den diskursiven Gebrauch des Verstandes angewiesen. Feldenkrais nutzt das sensorische und motorische Gedächtnis und mithilfe der Wahrnehmung ganz gezielter Bewegungen lernen Personen die körperlich-sensorische Einsicht in Zusammenhänge kennen. Somit spürt du z.B. eine konstante Überbeanspruchung des unteren Rückens bei der Ausführung der Beckenuhr. Diese Erkenntnis, welche du daraus gewinnst, bedarf keiner bewussten rationalen Ableitung. Dein Gehirn bewertet die Erfahrungen, ob ein Stimulus zu stark ist oder ob es noch ein wenig mehr an Stimulus braucht, um Unterschiede wahrzunehmen und schließlich zu integrieren. Dieses Spiel mit der Bewegungsamplitude führt über die Zeit zu einer Adaptation hin zu mehr Leichtigkeit. Kraft, welche auf unsere Gelenke wirkt, kann somit bezüglich Zu- bzw. Abträglichkeit besser eingeschätzt werden. Du lernst nun in einem Prozess, deine Bewegungsmuster besser zu koordinieren.
Ein weiterer und folgenreicher Schritt zu einem selbstregulierteren Leben ist nun gesetzt. Indem du dich immer wieder diesen Lernprozess aus Bewegung und Wahrnehmung hingibst, öffnest du dich gegenüber immer neuen Erfahrungen. Diese neuen gesammelten Erfahrungen stellen ein reiches Fundament für den intuitiven Gebrauch deiner eigenen Person im Schwerefeld dar.
Wie würdest du die Frage „welche Übung die beste ist?“ nun beantworten?
Literatur:
- Bechara, Antoine & Damasio, Antonio. (2005). Bechara, A. & Damasio, A.R. The somatic marker hypothesis: a neural theory of economic decision. Games Econ. Behav. 52, 336-372. Games and Economic Behavior. 52. 336-372.
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