Wie auf meiner Startseite geschrieben steht, sehe ich mich als deinen Wegbegleiter, hin zu mehr Verbindung und einem authentischen Leben. Dieses authentische Leben findet zu einem bewussten Teil tagsüber statt. Tagsüber bin ich der, der ich bin, oder zumindest bin ich das zu einem größeren Teil. So stellt sich die Frage, was denn nachts geschieht. Der Schlaf. Der Schlaf ist zum Schlafen da, sowie Regen nass ist. Jetzt wurde es ein wenig tautologisch. Gesagt wurde dabei nichts und dennoch sehr viel, denn es impliziert die Frage, wie es denn funktioniere, das Schlafen. Bei der der Beantwortung dieser Frage, halte ich mich an Steve de Shazer, welcher behauptet, dass wir es nicht wissen können, wie es funktioniert. Wir können nur wissen, dass es funktioniert, wenn es funktioniert. Im Nachhinein wissen wir ob das, was wir vorher gemacht haben, hilfreich war oder eben nicht. So versuchen wir uns der Sache anzunähern. Wenn diese Annäherungen dazu beitragen, dass du besser schläfst, dann stimmt schon mal die Richtung. Das wäre ein Anfang.
Triade: Stress, Schmerz und Rumination
In der Klinik als Therapeut sage ich Patient/innen immer wieder, ohne Schlaf, keine Regeneration und somit keine Leistung tagsüber. Schlaf aus Erschöpfung ist auch keine Regeneration. Und, was funktioniert denn nun? Nach unzähligen Anamnesegesprächen zeigte sich eine Triade an hauptsächlichen Faktoren, welche den nächtlichen Schlaf raubten. Es sind Stress, Schmerz und Rumination. Rumi…was? Rumination bedeutet Grübeln, bzw. eine nie endende Reflektion ohne Lösungsansatz. Wenn du ruminierst, käust du ein Thema wieder und wieder, wie ein Kuh. Daher das Wort Wiederkäuer. Aber nachts, darf die Kuh auch mal schlafen, du auch. Die Crux mit diesen Faktoren ist, sie kommen meist gemeinsam. Das wäre sozusagen ein Jackpot. Wo denn nun anfangen? Es kommt darauf an. Dies ist auch abhängig vom Individuum, von der Situation, von den Möglichkeiten und von den Bedingungen. Nähern wir uns der Sache von Anfang an. Was ist denn nun ein erholsamer Schlaf?
4 Dinge, die sehr hilfreich sind
Es braucht eine gewisse Anzahl an Stunden, um wirklich erholt zu sein. Wie viel Stunden? Da lässt sich schwer festmachen, auch wenn da draußen eine Zahl kursiert, von sieben bis acht Stunden, gibt es hier doch Unterschiede zwischen den Individuen. Zudem mag sich diese Zahl in einem Individuum über die Lebensspanne leicht ändern. Die Schlafdauer ist nicht festgenagelt, sondern unterliegt einer gewissen Flexibilität.
Neben der Schlafdauer ist die Schlafqualität, also die Schlaftiefe, erheblich dafür verantwortlich, morgens aufzustehen und das Gefühl zu haben, jetzt Bäume ausreißen zu können. Für den Körper und den Geist ist die Tiefschlafphase die wichtigste der Schlafphasen. Stress und Schmerz kommen der Schlafqualität erheblich in die Quere. Da wären wir wieder beim “wie funktioniert das jetzt mit dem Schlafen”. Dazu weiter unter mehr.
Ein weiterer Punkt wäre die Regelmäßigkeit, d.h. die Uhrzeit, wann ich schlafen gehe. Regelmäßig bedeutet von Montag bis Sonntag der gleiche Rhythmus, mit einem leichten Ausschlag von plus/minus 30 Minuten. Wir als Menschen, sind von Natur aus Wesen, die Stabilität brauchen. Unsere inneren Systeme brauchen dies noch mehr. Immer unterschiedliche Zubettgehzeiten machen es unserem Körper sehr schwer, einen Rhythmus zu entwickeln. Erholsam mag dieser Schlaf dann weniger sein.
Der letzte Punkt ist die Zeit, also wann ich schlafen gehe und wann ich aufstehe. Dazu eine Anekdote und ein Fragebogen. Zuerst die Anekdote. Ich hatte einst das Glück für drei Monate meinen eigenen Test durchzuführen. Dieser bestand darin, nicht auf die Uhr schauen zu müssen, sondern in mich hineinzuspüren, Zeichen von Müdigkeit von Schlafdruck zu entdecken, sowie wahrzunehmen, nach wie viel Stunden ich dann auch wirklich wach war. Das was ich dabei herausfand war folgendes. Ich schien mich ziemlich gut zu fühlen, wenn ich nach meiner inneren Uhr schlief. Gegen 21:30 Uhr bis 22 Uhr war es dann soweit, Schlafenszeit. Gegen 5 Uhr bis 5:30 wachte ich auf, ohne Kaffee, ohne großes Getue, um fit zu werden. Ich wachte einfach auf und war fit. Es kam ab und zu mal vor, dass ich später zu Bett ging, dennoch wachte ich gegen 5 Uhr bis 5:30 Uhr auf. So fit war ich dann allerdings nicht, denn ich überschritt meinen Rhythmus um mehrere Stunden. Es kam auch mal vor, länger liegen zu bleiben und zu dösen. Fitter machte mich das nicht, sondern eher ziemlich träge. Also, die Zeit, der Rhythmus und die Quantität waren nun herausgefunden.
Jetzt magst du sagen, aber ich habe leider nicht die Zeit, diesen Selbsttest zu machen. So kommen wir zum Fragebogen von Griefahn, Künemund, Bröde & Mehnert (2001), welchen du online findest. Kurz und knapp: Fragen durchlesen, ankreuzen, auswerten und nun hast du eine Annäherung zu deinem Chronotyp, d.h. deinen individuellen Schlafrhythmus. Dieser Schlafrhythmus ist auch nicht großartig verhandelbar, denn er ist in dir, in deiner Genetik, angelegt. Sich treu zu sein, bei sich zu bleiben, hat auch sehr viel mit diesem Schlaftyp zu tun. Jetzt hätten wir die vier Dinge, welche schon mal eine Annäherung darstellen:
- Wann gehe ich schlafen? = Schlafzeit / Chronotyp
- Ist das jeden Tag gleich, plus/minus 30 Minuten? = Regelmäßigkeit
- Wie viele Stunden brauche ich? = Schlafdauer
- Wie komme ich denn nun zu einem erholsamen Schlaf? = Schlafqualität
Schlafqualität
Die vierte Frage ist in der Tat eine sehr komplizierte, denn dies ist nicht für alle gleich und es ist auch für den einen Menschen immer so. Aber generell lässt sich folgendes sagen. Hier habe ich mir ein Akronym ausgedacht, welches mir hilft, dies zu merken.
ESTATE = estate (engl.) bedeutet Vermögen, unter anderen Bedeutungen. Ein gelungener Schlaf kann ein Vermögen sein, an dem ich jeden Tag arbeite. Die Belohnung kommt, wie so oft, immer im Nachhinein.
Elektronik - Handy, TV, PC und Co.: Blaues Licht ist nicht gut für den Schlaf. Diese Geräte sondern dies ab. Wills du dir einen Gefallen tun, verbanne diese Geräte aus dem Schlafzimmer und nutze sie spätestens eines Stunde vor dem Schlafen. Dein Melatonin wird dankbar dafür sein. Melatonin reguliert den Schlaf und du hilfst deinem Körper dabei, besser in den Schlaf zu sinken. Mal von dem blauen Licht abgesehen, die elektronischen Geräten halten deinen Verstand auf Trapp, auch wenn du vielleicht anders denken magst. Der Verstand darf gerne tagsüber arbeiten. Nachts hat dieser Pause. Na ja, er sollte es zumindest haben.
Sport: 2021 führten Frimpong et. al. eine Metaanalyse durch. Sie wollten herausfinden, was Sport mit dem Schlaf anstellt und fanden folgendes heraus. Wenn du Sport machst, ca. 2-4 Stunden vor dem Schlafengehen und es sich dabei um moderates Fitnesstraining handelt für eine Zeit von ca. 30-60 Minuten (eher kürzer als länger), so wirkt sich dies positiv auf die Schlafqualität aus. Moderat heißt nicht 150 kg Kniebeugen 6 Sätze oder 30 Minuten Intervall-Sprints. Extremer Sport kann auch zu extremen Einschlafproblemen führen.
Temperatur: Man sagt zwischen 16 und 18 Grad Celsius. Das braucht der Körper, um sich wohlfühlen und um sich zu erholen. Am besten hältst du die Temperatur immer gleich. Denn eine ständige Anpassung mag der Körper einfach nicht, auch wenn jetzt manche einwenden mögen, dass wir Menschen für Flexibilität und Anpassung gemacht sind. Ich denke mir dann, ist ja gut, doch manches ist einfach weniger verhandelbar. Also, kühler hilft beim Ein- sowie beim Durchschlafen. Eine warme Dusche oder ein warmes Bad vor dem Schlafengehen hilft immens. Ich habe es sehr oft ausprobiert. Es ist einfach genial. Bitte nicht kalt duschen,…, das gerne morgens um wach zu werden.
Atmosphäre: Kennst du Feng Shui? Ursprünglich aus dem asiatischen Raum, bedeutet es so viel Harmonie mit der Umwelt. Das fängt schon im Schlafzimmer an. Ein einladendes Schlafzimmer, ein beruhigender Duft (Lavendel), schöne Vorhänge (am besten Vorhänge die verdunkeln), die Objektanordnung im Raum, bzw. welche Objekte sind überhaupt im Schlafzimmer. All das und noch so einiges sorgen für eine Wohlfühlatmosphäre und die verbessert den Schlaf.
Trinken: Kaffee, Cola und Co. vor dem Schlafen hat Auswirkungen auf die Hormone Kortisol und Adenosin. Kaffee macht wach. Du magst jetzt das Argument einbringen, “aber ich trinke immer einen Espresso vor dem Schlafen”. Ja, vielleicht schläfst du dann auch ein, denn es stellt ein Ritual dar, doch die eigentliche Frage ist, schläfst du tief und hast morgen das Gefühl, dass das Leben der Hammer ist und du Bäume ausreißen kannst. Nein! Dann lass bitte den Kaffee und Co. weg. Das gilt auch für Alkohol. Und auch hier, du magst vielleicht besser einschlafen, aber durchschlafen ist nicht drin. Auch hier ein klares Nein. Alkohol am Wochenende und unter der Woche einen warmen beruhigenden Tee.
Essen: Generell, direkt vor dem Schlafengehen zu essen, ist wirklich keine gute Idee, denn dies unterbricht den Prozess der Schlafqualität. Idealerweise liegen zwischen der Schlafzeit und der letzten Mahlzeit 2-4 Stunden. Probiere es aus. Ich habe es ausprobiert und kann sagen, es funktioniert einfach nicht.
Jetzt hätten wir eine Annäherung mit dem Akronym ESTATE. Was du auch noch tun kannst, ist ein abendliches Ritual, im Sinne von einer Entspannungsübung bzw. einer Regulationsübung. In der Klinik haben sich mehrere Dinge als sehr hilfreich erwiesen. Hier mal ein kleiner Auszug. Vielleicht machst du ja schon das ein oder andere.
Bei Stress:
- Progressive Muskelrelaxation
- Imagimationstechniken, z.B. sich vorzustellen an einem schönen Ort zu sein und diesen mit allen Sinnen zu genießen
- Qi Gong, die Verbindung von Bewegung und Atmung, wirkt sehr beruhigend und erdend.
- ein langsamer Spaziergang, oder Gehmeditation aus der formalen Achtsamkeitspraxis
- ein Bodyscan, auch aus der Achtsamkeitspraxis
- Gähnen, Seufzen, Summen (Polyvagal, Zapchen) und Klopfen (PEP)
- Yoga Nidra oder Yin Yoga
Bei Schmerz:
- Feldenkrais (bei biomechanischen Schmerzen, z.B. LWS, HWS, oder ähnliches)
- Prozess- und embodimentfokussierte Psychologie (Klopfen, sowie die Transformation negativer Glaubenssätze)
- Meditation mit einem Anker (Anker: das kann die Hand auf dem Bauch sein, welche den Bauch streichelt). Der Anker hilft sehr, vom Schmerz abzulenken. Sehr viele Menschen fanden speziell dies sehr hilfreich bei Schmerzen.
Bei Rumination:
- Prozess- und embodimentfokussierte Psychologie (Regulation der der dysfunktionalen Gedanken, welche dich vom Schlaf abhalten und die daraus beruhigende Affirmation, bzw. der stärkende Kraftsatz)
- Aufschreiben, und zwar mit Licht. Schreibe Dir deine Gedanken auf. Am nächsten Tag kannst du sie gerne mal ansehen und vielleicht hast du ad hoc eine Lösung parat.
- Aufschreiben, und zwar ohne Licht. Sozusagen raus aus dem Kopf. Ob du es lesen kannst, ist in diesem Fall nicht wichtig. Es geht um ein Externalisieren der Gedanken auf Papier, welches du am nächsten Tag wegwirfst.
Das war jetzt wieder einiges an Text. Ich wünsche Dir, von ganzen Herzen, eine erholsamen, gesunden und tiefen Schlaf. Gerne ein wenig mehr. Allerdings nicht 22 Stunden am Tag, wie manch Koala dies tut.
Literatur:
- Frimpong, E., Mograss, M., Zvionow, T., & Dang-Vu, T. T. (2021). The effects of evening high-intensity exercise on sleep in healthy adults: A systematic review and meta-analysis. Sleep medicine reviews, 60, 101535. https://doi.org/10.1016/j.smrv.2021.101535
- Griefahn, B., Künemund, C., Bröde, P., & Mehnert, P. (2001). Zur Validität der deutschen Übersetzung des Morningness-Eveningness-Questionnaires von Horne und Östberg. Somnologie - Schlafforschung und Schlafmedizin, 5, 71-80.
Bilder:
- Foto von Jordan Whitt auf Unsplash